Entscheidungsstichwort (Thema)

selbständiges Beweisverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1) Ein selbständiges Beweisverfahren ist unzulässig, wenn es der Ausforschung dient.

2) Verschuldensfragen sind nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens.

 

Normenkette

ZPO §§ 485, 487

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 07.11.2006; Aktenzeichen 8 Ca 15960/06)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 24. November 2006 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. November 2006 – 8 Ca 15960/06 aufgehoben.

2. Das Verfahren über die Entscheidung über die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens im Wege des selbständigen Beweisverfahrens wird bei einem Beschwerdewert von 5.000,– EUR an das Arbeitsgericht Berlin zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Der am … 1961 geborene Beschwerdeführer war im Jahre 2003 Arbeitnehmer der Beschwerdegegnerin. Am 3. August 2003 brannten in der F.-E.-Allee …, 1…. Berlin zwei Verschläge von Mietern im Dachgeschoss und zwei Verschläge von Mietern im Kellergeschoss. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft wurde die Akte 1 Bra Js 4338/03 angelegt. Diese beinhaltet auch eine Fotodokumentation der Tatorte. Vom 24. September 2003 bis 26. September 2003 war der Beschwerdeführer mit „Reparaturarbeiten an Rohrleitungen und Ventilen im Keller nach Brandschaden” im Auftrag der Beschwerdegegnerin beschäftigt. Nach einem Bescheid der N. Metall-Berufsgenossenschaft vom 15. März 2006 (Bl. 57 d.A.) war der Beschwerdeführer vom 29. September 2003 bis 5. November 2003 arbeitsunfähig erkrankt.

Der Beschwerdeführer strebt im selbständigen Beweisverfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Kausalität zwischen dem Brandschaden und bei ihm aufgetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen an.

Das Arbeitsgericht hatte in der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf § 104 Abs.1 SGB VII den Antrag zurückgewiesen. Der Antragsteller habe kein rechtliches Interesse (§ 485 Abs.2 Nr.1 ZPO), weil selbst bei unterstellter Bejahung der sachverständig zu klärenden Fragen ein Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin nur bei Vorsatz anzunehmen wäre. Der Vorsatz müsse sich entsprechend der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 10.10.2002 – 8 AZR 103/02) dabei auch auf die eingetretenen Verletzungsfolgen beziehen. Diese Voraussetzungen seien vom Antragsteller nicht dargetan.

Gegen diesen dem Antragsteller am 20. November 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 24.11.2006 sofortige Beschwerde eingelegt. Dieser sofortigen Beschwerde hat das Arbeitsgericht Berlin (unter dem geänderten Aktenzeichen 8 Ha 22413/06) unter nochmaligem Hinweis auf das Urteil des BAG vom 10.10.2002 – 8 AZR 103/02 nicht abgeholfen.

Auf einen ausführlichen rechtlichen Hinweis des Beschwerdegerichts vom 3. Januar 2007 hat der Beschwerdeführer die Anträge mit Schriftsatz vom 22.1.2007 (Bl. 109 ff.) erheblich geändert und durch eine eidesstattliche Versicherung des Beschwerdeführers (Bl. 113 d.A.) glaubhaft gemacht. Das Beschwerdegericht hat die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft zum Aktenzeichen 1 Bra Js 4338/03 beigezogen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 567 ZPO statthaft und auch im Übrigen gemäß § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die sofortige Beschwerde ist daher zulässig.

2.

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache auch Erfolg. Zwar hat das Landesarbeitsgericht erhebliche Zweifel, ob der vom Beschwerdeführer angestrebte Beweis durch das angestrebte Sachverständigengutachten geführt werden kann, denn schon die Einzelheiten des Brandschadens können, wenn überhaupt, anhand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte nur noch sehr eingeschränkt festgestellt werden. andere Beweismittel hat der Beschwerdeführer dazu nicht vorgebracht. Dieses ist jedoch nicht der Maßstab der Zulässigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts kann im selbständigen Beweisverfahren der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht aufgrund des nach § 104 Abs.1 SGB VII erforderlichen und nach Ansicht des Arbeitsgerichts nicht dargelegten Vorsatzes der Beschwerdegegnerin an der Schädigung des Beschwerdeführers zurückgewiesen werden. Denn ein Antrag im selbständigen Beweisverfahren kann gegen alle Personen gerichtet werden, die ernsthaft als Schadenverursacher in Betracht kommen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. Februar 2003 – 2 W 42/02 und OLG Frankfurt, Beschluss vom 5. September 1994 – 22 W 46/94). Die rechtliche Bewertung, insbesondere die Beurteilung des Verschuldens, ist nicht Aufgabe des Gutachters, weshalb sich die selbständige Beweisaufnahme auch nicht darauf beziehen kann, ob ein bestimmtes schädigendes Ereignis vorhersehbar war. Die Beweissicherung muss sich auf die Feststellung von Tatsachen und Ursachenverläufen beziehen, nicht aber auf die Beurteilung von Vorhersehbarkeit und Erkennbarkeit (OLG München, Beschluss vom 17. Januar 1992 – 1 W 627/91). Nach der Recht...

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