Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg. Vorstandsmitglied. unbefristeter Arbeitsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Arbeitnehmer zum Vorstand bestellt, ohne dass dem eine schriftliche Vereinbarung zugrunde liegt, wird das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nicht wirksam aufgehoben (§ 623 BGB). Auch eine Ablösung des Arbeitsvertrages durch inhaltliche Erweiterung auf ein „Vorstands-Arbeitsverhältnis” kommt nicht ohne weiteres in Betracht, weil ein Vorstand in der Regel nicht Arbeitnehmer ist.

2. In einem solchen Fall ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu Streitigkeiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Abberufung gegeben. Diese Rechtsstreitigkeit betrifft ein von der Organstellung klar zu trennendes weiteres Rechtsverhältnis, für das die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht eingreift.

 

Normenkette

ArbGG § 5 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 29.10.2009; Aktenzeichen 63 Ca 13173/09)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.10.2009 – 63 Ca 13173/09 – wird auf ihre Kosten bei einem Beschwerdewert von 8.400 EUR zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen

 

Gründe

1. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Kündigungen, die die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 2009 und vom 08. Juli 2009 ausgesprochen hat. Der Kläger war zunächst auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages als „Head of legal Departement” bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig und wurde mit Beschluss vom 14. Juli 2008 zum Vorstand bestellt, ohne dass die Parteien dazu eine schriftliche Vereinbarung getroffen haben. Nach einem Beschluss des Vorstandes vom 29. Juni 2009, ihn mit sofortiger Wirkung abzuberufen, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 29. Juni 2009 ebenso wie mit Schreiben vom 8. Juli 2009 das mit dem Kläger bestehende Dienstverhältnis.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 29. Juni 2009 noch durch die Kündigung vom 8. Juli 2009 aufgelöst worden ist. Zur Begründung macht er insbesondere geltend, sein ursprüngliches Arbeitsverhältnis sei durch die Bestellung zum Vorstand nicht aufgehoben, sondern ruhend gestellt worden. Mit der Abberufung sei es wieder aufgelebt und durch die Kündigungen nicht beendet worden.

Nachdem die Beklagte den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gerügt hat, hat das Arbeitsgericht Berlin mit Beschluss vom 29. Oktober 2009 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erachtet. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, mangels Abschluss eines schriftlichen Anstellungsvertrages als Organvertreter sei der Arbeitsvertrag vom 30. April 2007 wegen fehlender Schriftform nach § 623 BGB nicht aufgehoben worden. Vielmehr sei im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien den Arbeitsvertrag ruhend gestellt hätten. Für dieses ruhende Arbeitsverhältnis gelte die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht.

Gegen diesen der Beklagte am 20. November 2009 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 4. Dezember 2009 eingegangene sofortige Beschwerde, in der die Beklagte weiterhin davon ausgeht, zwischen den Parteien bestünde nur ein Vertragsverhältnis. Der Arbeitsvertrag habe sich in einen Dienstvertrag als Vorstand stillschweigend weiterentwickelt, ohne dass dafür die Schriftform habe eingehalten werden müssen. Der Kläger mache den Fortbestand dieses Vertragsverhältnisses geltend. Dafür sei aber das Landgericht zuständig.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 16. Dezember 2009 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

2. Die nach den §§ 48 ArbGG, 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, 78 ArbGG, 567 Abs. 1 ZPO statthafte und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist für den vorliegenden Rechtsstreit nach § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG gegeben. Die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG steht dem nicht entgegen.

2.1 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder das Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten in Betrieben einer juristischen Person oder Personengesamtheit Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gilt unabhängig davon, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich ein freies Dienstverhältnis oder ein Anstellungsverhältnis ist (BAG v. 23.8.2001 – 5 AZB 9/01 – EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 36). Auch wenn das Anstellungsverhältnis zwischen juristischer Person und Vertretungsorgan wegen...

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