Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtbetrag der zweijährigen Karenzentschädigung für Streitwert maßgeblich. Anwendbarkeit der ratio des § 42 GKG

 

Leitsatz (amtlich)

1) Herrscht Streit zwischen den Parteien über die Gültigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mit der in der Praxis üblichen Laufzeit von zwei Jahren, entspricht der festzusetzende Gegenstandswert im Allgemeinen der vom Arbeitgeber zu zahlenden Entschädigung (so auch LAG Köln 12. November 2007 - 7 Ta 275/07; LAG Schleswig-Holstein 31. Mai 2012 - 6 Ta 86/12; LAG Hamm AnwBl 1984, 156).

2) Die Anknüpfung der Gerichts- und Anwaltsgebühren an den Gebührenstreitwert dient dem Ziel, die Gebühren von der wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtsstreits für die Parteien abhängig zu machen. Deshalb sind auch Feststellungsanträge nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zu beurteilen (vgl. BAG 22. September 2015 - 3 AZR 391/13 (A), Rn 10 f). Ein Abschlag (etwa um 20 oder 25 vH) scheidet regelmäßig aus.

 

Normenkette

RVG § 33; ZPO § 308; GKG § 42 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 30.10.2019; Aktenzeichen 36 Ca 14483/18)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. Oktober 2019 - 36 Ca 14483/18 - abgeändert und der Gesamtgegenstandswert auf 82.309,86 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Kläger hat mit seiner Klage die Zahlung rückständiger Karenzentschädigung in Höhe von 13.716,81 Euro für drei Monate geltend gemacht (Antrag zu 1) und mit dem Antrag zu 2) die Feststellung begehrt, dass das vereinbarte Wettbewerbsverbot nicht aufgehoben worden sei.

Mit Beschluss vom 30. Oktober 2019, dem Klägervertreter am 6. November 2019 zugestellt, hat das Arbeitsgericht den Wert des Streitgegenstands auf 66.869,45 Euro festgesetzt. Dabei hat es die zum Zeitpunkt der Klageerhebung rückständigen Beträge unberücksichtigt gelassen und im Übrigen einen Abzug in Höhe von 25 vH vorgenommen, da es sich um einen Feststellungsantrag gehandelt habe.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner am 6. November 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde gegen die Nichtberücksichtigung der mit dem Antrag zu 1) geltend gemachten Forderung. Seines Erachtens ergibt sich der Gegenstandswert aus 75 vH der Karenzentschädigung für 24 Monate (insgesamt 82.309,86 Euro).

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 5. Dezember 2019 nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Arbeitsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes zu niedrig festgesetzt. Abzustellen ist auf die zum Zeitpunkt der Klageeinreichung formulierten Anträge. Maßgeblich wäre der wirtschaftliche Wert der Karenzentschädigung gewesen, hier also der 24-fache monatliche Betrag (insgesamt 109.734,48 Euro. Dieser wäre auch nicht deshalb zu ermäßigen gewesen, weil es sich bei dem Antrag zu 2) um einen Feststellungsantrag handelte.

1) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG ist bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Hier ging es wirtschaftlich um eine Karenzentschädigung für zwei Jahre. Dem steht nicht entgegen, dass es dem Kläger mit dem Antrag zu 2) um die Feststellung einer Leistungspflicht des Beklagten und damit um einen positiven Feststellungsantrag und nicht um einen auf Zahlung gerichteten Leistungsantrag ging.

a) Herrscht Streit zwischen den Parteien über die Gültigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mit der in der Praxis üblichen Laufzeit von zwei Jahren, entspricht der festzusetzende Gegenstandswert im Allgemeinen der vom Arbeitgeber zu zahlenden Entschädigung (vgl. LAG Köln 12. November 2007 - 7 Ta 275/07; LAG Schleswig-Holstein 31. Mai 2012 - 6 Ta 86/12; LAG Hamm AnwBl 1984, 156).

b) Allerdings wurde für das Kostenrecht, wie es vor seiner vollständigen Neuordnung durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) galt, teilweise angenommen, die in vergleichbaren Regelungen verwendete Formulierung "wiederkehrende Leistungen" beziehe sich lediglich auf Klagen, die eine künftige Leistung nach §§ 257 ff. ZPO zum Gegenstand haben und damit auf Leistungsklagen (vgl. BAG 18. April 1961 - 3 AZR 313/59; BGH 11. Januar 1951 - III ZR 151/50). Daraus wurde gefolgert, dass bei einem Antrag auf Feststellung einer Leistungspflicht lediglich 80 vH des dreijährigen Wertes anzusetzen seien (vgl. BAG 18. April 1961 - 3 AZR 313/59; BGH 11. Januar 1951 - III ZR 151/50; 9. Juni 2005 - III ZR 21/04)

c) Nach der Neuordnung des Kostenrechts lässt sich ein Abschlag in dieser Konstellation nicht mehr rechtfertigen.

aa) Der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung sieht lediglich vor, dass Gegenstand des Rechtsstreits Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen sind. In welcher Form diese Ansprüche geltend gemacht werden, ist in § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht angesprochen. Auch der vom Gesetzgeber in der Zivilprozessordnung verwendete Begriff der "wiederkehrenden L...

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