Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmtheitsanforderungen an den Antrag im Beschlussverfahren. Mitbestimmung bei der Aufstellung von Dienst- und Schichtplänen. Regelungsbefugnis der Betriebsparteien über die Ausgestaltung ihrer Regelungen zur Schichtarbeit. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auch in Eilfällen. Zulässiger abweichender Konfliktlösungsmechanismus als freiwillige Regelung ohne Nachwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist in Eilfällen nicht ausgeschlossen (vgl. BAG 8. Dezember 2015 - 1 ABR 2/14, Rn. 18).

2. Die Regelungsfrage, ob und ggf. in welcher Weise ein Dienstplan geändert werden muss, wenn dieser nicht wie geplant durchgeführt werden kann, wird vom Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG umfasst.

Dieses Beteiligungsrecht wird beseitigt, wenn die Arbeitgeberin den Betriebsrat über eine Dienstplanänderung nur unterrichten muss und nach Gutdünken verfahren kann (vgl. BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 19/12, Rn. 37).

3. Auf einen von § 87 Abs. 2 BetrVG abweichenden Konfliktlösungsmechanismus können sich die Betriebsparteien zwar grundsätzlich einvernehmlich verständigen (vgl. BAG 8. Dezember 2015 - 1 ABR 2/14, Rn. 25). Als freiwillige Regelung iSd § 88 BetrVG unterliegt die Verfahrensregelung (unabhängig von der Frage, ob und inwieweit sie als solche wirksam gewesen ist) nicht der Nachwirkung.

 

Normenkette

BetrVG § 87; ZPO § 253 Abs. 2; BetrVG § 77 Abs. 6, § 87 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 88

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 06.06.2018; Aktenzeichen 39 BV 679/18)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. Juni 2018 - 39 BV 679/18 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Betriebsrat wendet sich in dem Verfahren gegen nicht mitbestimmte Abweichungen der Arbeitgeberin von mitbestimmten Dienstplänen.

Die Arbeitgeberin erbringt für die Charité Leistungen im technischen, kaufmännischen und infrastrukturellen Facility Management. Bei ihr sind etwa 2.800 Belegschaftsmitglieder beschäftigt.

Im Jahr 2006 schlossen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung (BV DP 2006), in der es unter § 3 (Rasterpläne/Dienstpläne) ua heißt:

"II Mitbestimmung des Betriebsrats/Verfahren

(1) Der Arbeitgeber legt bis spätestens am 15. des Vormonats die konkreten Rasterpläne des folgenden Monats dem Betriebsrat zur Zustimmung vor. Widerspricht der Betriebsrat binnen einer Frist von 1 Woche nicht schriftlich, so gelten die Rasterpläne als genehmigt. Der Widerspruch muss stichpunktartig begründet werden.

(2) Am 15. des Folgemonats bzw. dem darauf folgenden Arbeitstag erhält der Betriebsrat die Kopien der Einsatzpläne der vorangegangenen Rasterplanperiode zur Information.

(3) Eine wegen eines unvorhersehbaren Ausfalls eines Mitarbeiters (Krankheit, Urlaub u.ä.) notwendig werdende kurzfristige Rasterplanänderung bedarf keiner vorherigen Zustimmung des Betriebsrats. In dem Betriebsrat wöchentlich zu übergebendem Einsatzplan ist diese Änderung kenntlich zu machen.

(4) Widerspricht der Betriebsrat einem Rasterplan, hat eine betriebsinterne Einigung innerhalb einer Frist von drei Tagen zu erfolgen. Sollte dieser Einigungsversuch scheitern, ist die Einigungsstelle anzurufen. Die Betriebsparteien benennen abwechselnd eine/n Vorsitzende/n, das erste Benennungsrecht hat der Betriebsrat. Die Zahl der Beisitzer wird für jede Seite auf zwei festgelegt. Kommt die Einigungsstelle bis zum Monatsende nicht zu einem Ergebnis (Einigung oder Spruch), gilt der vorgelegte Rasterplan bis zur Beendigung des Einigungsstellenverfahrens.

(5) Auftretende Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten bei der Umsetzung des § 3 dieser Betriebsvereinbarung werden die Betriebsparteien konstruktiv und vertrauensvoll zu lösen versuchen unter Hinzuziehung der betroffenen Mitarbeiter."

Die Betriebsparteien praktizierten das Verfahren entsprechend. Die Übergabe der Dienstpläne an den Betriebsrat erfolgte in Exel-Form.

Im Jahr 2010 führte die Arbeitgeberin das Dienstplansystem Polypoint (PEP) ein.

Ab dem Jahr 2011 gab es zwischen den Beteiligten Verhandlungen über eine neue, aktuellere Betriebsvereinbarung Dienstplanung, die ua auch die Dienstvereinbarung aus dem Jahr 2006 ablösen sollte. Im März 2012 beschloss der Betriebsrat, die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2006 zu kündigen, was am 14. März 2012 auch geschah.

Im Rahmen einer Einigungsstelle einigten sich die Beteiligten im Jahr 2012 darauf, dass für alle Bereiche der Dienstplanung das PEP-System benutzt werde. Die Arbeitgeberin stellte dem Betriebsausschuss die vorgesehenen Dienstpläne im Intranet über das System Polypoint PEP zur Verfügung. Dem Betriebsrat wurden zur Wahrung seiner Mitbestimmungsrechte Zugriffsrechte eingeräumt. Es erfolgte die monatliche Prüfung der Dienstpläne und eine sogenannte Sollplansicherung für zwei Monate im Voraus. Bei Dienstplanänderungen nach Sollplansicherung gab es lediglich noch eine Kennzeichnung in PEP. Die Art der Kennzeichnung wurde mit dem Betriebsrat abgestim...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge