Entscheidungsstichwort (Thema)

Falsche Auskunft des Betriebsrates über Klageerhebungsfrist bei Kündigungsschutzklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen des Verfahrens über die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage handelt ein Arbeitnehmer schuldhaft, wenn er hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Klageerhebung auf eine falsche oder unvollständige Auskunft des Betriebsrates vertraut.

2. Dies gilt erst recht bei entsprechenden Auskünften der Betriebsgewerkschaftsleitung auf dem Gebiet der ehemaligen DDR.

 

Normenkette

KSchG §§ 4-5

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 06.03.1991; Aktenzeichen 70 Ca 12002/90)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. März 1991 – 70 Ca 12002/90 – wie folgt abgeändert:

Der Antrag des Klägers, die von ihm erhobene Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens hat der Kläger bei einem Beschwerdewert von DM 1.400,– zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Der 1937 geborene Kläger trat am 27. August 1973 als Schweißer in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Er erhielt zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 1.400,– DM.

Mit Schreiben vom 13. Juni 1990, dem Kläger am selben Tage zugegangen, kündigte die Beklagte den Arbeitsvertrag des Klägers fristgerecht zum 12. September 1990. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger bei der im Betrieb der Beklagten bestehenden Konfliktkommission mit Schreiben vom 15. Juni 1990 Einspruch. Die Konfliktkommission bearbeitete jedoch den Einspruch des Klägers nicht mehr.

Am 6. September 1990 schlossen die Parteien des vorliegenden Rechtsstreites für die Zeit vom 13. September bis zum 31. Dezember 1990 schriftlich einen befristeten Arbeitsvertrag ab.

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 20. November 1990 eingegangenen und der Beklagten am 12. Dezember 1990 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung gewandt und gleichzeitig deren nachträgliche Zulassung begehrt. Unter Vorlage einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung (Bl. 6 d.A.) hat der Kläger geltend gemacht, daß er an einer rechtzeitigen Klageerhebung gehindert gewesen sei, weil er von der Vorsitzenden der Betriebsgewerkschaftsleitung die Information erhalten habe, daß alle vor dem 30. Juni 1990 bei der Konfliktkommission eingegangenen Vorgänge noch bearbeitet werden würden. Er habe zudem infolge der Tatsache, daß eine große Anzahl von Kündigungen seitens der Beklagten erfolgt sei, mit einer längeren Bearbeitungszeit gerechnet. Erst in der Woche vom 12. November 1990 habe er erfahren, daß ein neuer Betriebsrat gewählt worden sei. Erst in diesem Augenblick sei ihm klar geworden, daß mit einer Entscheidung der Konfliktkommission nicht mehr zu rechnen sei.

Der Kläger hat beantragt.

seine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

den Antrag des Klägers zurückzuweisen.

Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage keinen Erfolg haben könne, weil er schuldhaft nicht rechtzeitig vor dem Arbeitsgericht Klage erhoben habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug im einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Durch am 6. März 1991 verkündeten Beschluß hat die Kammer 70 des Arbeitsgerichts Berlin die Klage nachträglich zugelassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der genannten Entscheidung verwiesen.

Gegen den ihren Prozeßbevollmächtigten am 19. April 1991 zugestellten Beschluß richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 3. Mai 1991 eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten, die von ihr gleichzeitig begründet worden ist.

Sie meint, das Erstgericht habe zu Unrecht die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Ansicht des Arbeitsgerichts zutreffe, daß ein Arbeitnehmer seine Verpflichtungen erfüllt habe, wenn er sich bei einer für eine Auskunft in arbeitsrechtlichen Fragen geeigneten Stelle erkundigt habe und ihm dort eine unrichtige Auskunft erteilt worden sei. Die Betriebsgewerkschaftsleitung sei jedenfalls keine geeignete Stelle für Auskünfte in arbeitsrechtlichen Fragen der vorliegenden Art gewesen. Der Kläger habe auch nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, daß gerade die Vorsitzende der Betriebsgewerkschaftsleitung über besondere arbeitsrechtliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügt habe.

Die Beklagte und Beschwerdeführerin beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Klage zurückzuweisen.

Der Kläger und Beschwerdegegner beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Er hat sich in der mündlichen Verhandlung auf den Standpunkt gestellt, daß die vom Arbeitsgericht getroffene Entscheidung rechtsfehlerfrei ergangen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten im zweitinstanzlichen Verfahre...

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