Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 19.04.1994; Aktenzeichen 63 BV 426/93)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 26.06.1996; Aktenzeichen 7 ABR 48/95)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluß des Arbeitsgericht Berlin vom 19. April 1994 – 63 BV 426/93 – abgeändert:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder.

Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1. betreibt Gesundheits- und soziale Einrichtungen zur Betreuung von alten und kranken Menschen, Kindern und Jugendlichen sowie Behinderten, die über das Berliner Stadtgebiet verteilt sind. Sie beschäftigt mehr als 300 Arbeitnehmer. Der Antragsgegner und Beteiligte zu 2. ist der aus der am 13. Mai 1993 in ihrem Betrieb erfolgten Wahl hervorgegangene Betriebsrat, der aus neun Mitgliedern besteht.

Betriebsratsvorsitzender ist der vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer … Stellvertretender Betriebsratsvorsitzender ist der Arbeitnehmer … der mindestens 30 Stunden pro Woche für die Antragstellerin tätig ist. Der Arbeitnehmer … war als Betreuer als Mitglied eines Teams in einer Wohngemeinschaft tätig.

Mit einem Schreiben vom 23. Juni 1993 (Bl. 4 d.A.) teilte der Antragsgegner der Antragstellerin u.a. mit, daß der Betriebsratsvorsitzende mit 20 Wochenstunden freizustellen sei. Mit einem weiteren Schreiben vom 8. Juli 1993 (Bl. 6 d.A.) informierte der Antragsgegner die Antragstellerin darüber, daß er beabsichtige, den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden mit 15 von 30 Wochenstunden freizustellen. Während die Antragstellerin mit ihrem Schreiben vom 3. August 1993 (Bl. 7 d.A.) die Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden akzeptierte, lehnte sie die Freistellung eines weiteren Arbeitnehmers ab.

Mit einem Schreiben vom 12. August 1993 (Bl. 9 d.A.) teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, daß er beschlossen habe, die Freistellung beider Betriebsratsmitglieder aufrechtzuerhalten. Dagegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrem Schreiben vom 25. August 1993 (Bl. 10 d.A.).

Mit ihrem, am 2. September 1993 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin die Auffassung vertreten, daß nur für die in § 38 Abs. 1 BetrVG genannte Mindestzahl von Freistellungen ausnahmsweise die Erforderlichkeit unwiderlegbar vermutet werde und daß sie zu einer weiteren Freistellung nicht verpflichtet sei. Der Antragsgegner könne nicht einseitig eine Bestimmung über die Staffel des § 38 Abs. 1 BetrVG vornehmen. § 38 Abs. 2 BetrVG gebe dem Betriebsrat lediglich die Befugnis, darüber zu entscheiden, welches seiner Mitglieder er freistellt. Eine ständige Teilfreistellung sei auch aus § 37 Abs. 2 BetrVG nicht zulässig.

Eine größere Anzahl von Arbeitnehmern freizustellen, stünden auch arbeitsorganisatorische Gründe entgegen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

festzustellen, daß sie verpflichtet ist, nur ein Betriebsratsmitglied freizustellen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei unzulässig, da die Antragstellerin nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 38 Abs. 2 Satz 6 BetrVG die Einigungsstelle angerufen habe. Zumindest sei der Antrag unbegründet, da die Teilfreistellungen zulässig seien. Zu berücksichtigen sei, daß Betriebsratsmitglieder trotz der erhöhten Schutzvorschriften des § 38 Abs. 3 und 4 BetrVG zugunsten freigestellter Betriebsratsmitglieder vielfach aus durchaus anerkennenswerten Gründen den Wunsch hätten, während ihrer Amtszeit nicht völlig aus ihrer beruflichen Tätigkeit auszuscheiden. Würde der Betriebsratsvorsitzende völlig aus dem Team herausfallen, wäre ihm jeglicher Kontakt zu den entsprechenden Arbeitnehmern und den zu betreuenden Patienten abgeschnitten.

Von daher sei es sinnvoll und geboten, eine Freistellung auf mehrere Personen zu verteilen. Überdies sei zu berücksichtigen, daß der Betrieb aus 27 Betriebsstätten bestehe und es aufgrund dieser Zersplitterung einem einzelnen Betriebsratsmitglied nicht möglich sei, die von ihm vertretenen Arbeitnehmer ordnungsgemäß zu betreuen. Er habe daher ermessensfehlerfrei gehandelt, als er den Vorsitzenden mit 19 und den stellvertretenden Vorsitzenden bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden mit 15 Stunden freigestellt habe

Die Regelung des § 38 Abs. 1 BetrVG verstoße überdies gegen das Verbot der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern, da Frauen überwiegend teilzeitbeschäftigt seien. Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer würde keine Freistellung erlangen, da ansonsten der Betriebsrat die gesetzliche Mindestfreistellungszeit des § 38 Abs. 1 BetrVG nicht ausfüllen könne.

Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf die Gründe zu I. des angefochtenen Beschlusses (Bl. 44–46 d.A.) sowie die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen bei entsprechender Anwendung des § 543 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Durch einen Beschluß vom 19. April 1994 ...

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