Entscheidungsstichwort (Thema)

Entreicherungseinrede des Vollstreckungsgläubigers nach Zwangsvollstreckung aus einem später abgeänderten LAG-Urteil und Vertrauensschutz des Vollstreckungsschuldners. Anwendungsbereich des § 70 BAT

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung des § 717 Absatz 3 ZPO besagt nicht, daß der Vollstreckungsschuldner, der nicht aufgrund der Zwangsvollstreckung oder zur Abwendung der Vollstreckung, sondern im Vertrauen auf die Richtigkeit der LAG-Entscheidung zur Vermeidung einer angedrohten Zwangsvollstreckung an den Vollstreckungsgläubiger geleistet hat, keinen Erstattungsanspruch nach § 717 Absatz 3 Satz 3 ZPO hätte, sondern auf das allgemeine Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB verwiesen wäre. Vielmehr entsteht der Erstattungsanspruch des Vollstreckungsschuldners – im Gegensatz zu den Fällen des § 717 Absatz 2 ZPO – schon dann, wenn dieser aufgrund des Urteils gezahlt oder geleistet hat.

2. Der nach Abänderung eines LAG-Urteils entstandene Rückgewährungsanspruch des Vollstreckungsschuldners gemäß § 717 Absatz 3 Satz 3 ZPO hat keine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage, die von § 70 BAT erfaßt wird.

 

Normenkette

BGB §§ 812, 818 Abs. 3; ZPO § 717 Abs. 2-3; BAT § 70

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 01.03.2000; Aktenzeichen 22 Ca 810/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.03.2003; Aktenzeichen 10 AZR 597/01)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 01.03.2000 – Aktenzeichen 22 Ca 810/00 – abgeändert:

  1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 30 550,00 nebst 4 % Zinsen per annum seit dem 08.10.1996 sowie weitere 4 % Zinsen aus DM 60 000,00 seit dem 27.08.1996 und aus DM 4 702,00 seit dem 10.09.1996 bis jeweils 02.04.1999 zu zahlen.
  2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

II. Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

III. Die Anschlußberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

V. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Rückerstattung von Bezügen für die Monate August 1994 bis März 1995, die der … aufgrund eines später wieder aufgehobenen Urteils des Landesarbeitsgerichts Köln an ihn geleistet hatte.

Der am 01.03.1929 geborene Beklagte war beim Kläger bzw. dessen Rechtsvorgänger, der in … seinen Sitz hat, vom 01.08.1964 bis 31.07.1994 als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt.

Dem Arbeitsverhältnis der Parteien lagen die Bedingungen des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.06.1996 (ArbG-Akte Blatt 90 f.) zugrunde. Dessen § 8 lautet wie folgt:

„(…) Gerichtsstand für Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist das für den Sitz der Hauptverwaltung der … örtlich zuständige Arbeitsgericht”.

Zuletzt nahm der Beklagte für den Kläger die nachfolgenden Aufgaben wahr, wobei er unmittelbar dem Vorstand nachgeordnet war:

  • Forschung und Entwicklung auf den Gebieten der …,
  • Übertragung der Ergebnisse der Forschung und Entwicklung in die einschlägige Industrie und andere Industriebereiche (Technologie und andere Know-how-Transfer),
  • Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses,
  • Internationale Kooperation im Bereich von … einschließlich Veranstaltung von Kongressen, Symposien etc.,
  • Entwicklung und Betrieb von Großforschungsgeräten und -anlagen,
  • Publikation von Plänen und Ergebnissen der Forschung und Entwicklung sowohl auf der Stufe hohen wissenschaftlichen Niveaus bis zu populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen,
  • Leitung und Durchführung von nationalen und internationalen Projekten.

Der Beklagte verlangte seine Weiterbeschäftigung über die Vollendung seines 65. Lebensjahres hinaus. Dieses Begehren wies der Kläger unter Berufung auf die Altersgrenzenregelung des § 60 Absatz 1 BAT zurück und kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 11.03.1994 vorsorglich zum 15.04.1994.

Dagegen erhob der Beklagte Klage vor dem Arbeitsgericht Köln (Aktenzeichen 1 Ca 3020/94) mit den Anträgen:

  1. „Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch § 60 BAT aufgelöst worden ist.
  2. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 11.03.1994 zum 15.04.1994 sein Ende gefunden hat, sondern ungekündigt über diesen Termin hinaus fortbesteht. (…)”

Gleichzeitig verklagte er den nunmehr klagenden … auf Zahlung der Vergütung für April 1994 bis August 1995.

Bereits im September 1994 war die persönliche Kommunikation zwischen dem Beklagten und dem Vorstand des Klägers abgerissen. Dieser hatte dem Beklagten Hausverbot erteilt. Lediglich die damaligen Prozeßbevollmächtigten der Parteien stellten die Aufrechterhaltung der Kontakte her. Die für den Beklagten noch eingehenden diversen Postsendungen leitete der Kläger ungeöffnet an den Beklagten weiter.

In seinem am 28.11.1995 verkündeten Urteil (ArbG-Akte Blatt 7 ff.) stellte das Arbeitsgericht Köln fest, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch § 60 B...

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