Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers bei Verletzung der Hinweispflicht nach § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III durch den Arbeitgeber. Arbeitslosmeldung. Schadensersatzpflicht

 

Leitsatz (redaktionell)

Dem Arbeitnehmer steht gegen den vormaligen Arbeitgeber kein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Aufklärung über die Pflicht des Arbeitnehmers zu, sich frühzeitig arbeitsuchend zu melden (BAG, Urteil vom 29.09.2005 – 8 AZR 571/04).

 

Normenkette

SGB III § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, §§ 37b, 140; BGB § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 823 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 28.07.2004; Aktenzeichen 9 Ca 132/04)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 28.07.2004, Az. 9 Ca 132/04, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Hinweispflicht nach § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SBG III.

Der Kläger war bei der Beklagten zu 1 seit 18. August 2003 beschäftigt. Der Beklagte zu 2 ist Gesellschafter der Beklagten zu 1. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2003 kündigte der Beklagte zu 2 für die Beklagte zu 1 das Arbeitsverhältnis zum 15.01.2004. Einen Hinweis darauf, dass der Kläger sich Arbeit suchend melden müsse, enthielt das Kündigungsschreiben nicht.

Tatsächlich wurde das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bis 31.01.2004 fortgesetzt, der Kläger war ab 01.02.2004 arbeitslos und bezog ab diesem Zeitpunkt Arbeitslosengeld.

Der Kläger hatte sich am 08.01.2004 Arbeit suchend gemeldet. Mit Schreiben vom 11.02.2004 teilte das Arbeitsamt Schwenningen dem Kläger mit, dass er der Verpflichtung nach § 37 b SGB III, sich unverzüglich beim Arbeitsamt Arbeit suchend zu melden, sobald er den Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses kennt, nicht rechtzeitig nachgekommen sei. Eine Meldung als Arbeit suchend habe spätestens am 16.12.2003 erfolgen müssen. Damit sei nach § 140 SGB III eine Minderung des Anspruchs auf Leistungen um 35,00 Euro für jeden Tag der verspäteten Meldung eingetreten, was einen Minderungsbetrag von 840,00 Euro ergebe. Die Anrechnung beginne am 01.02.2004 und habe einen Abzug von der täglichen Leistung von 15,01 Euro bis zum Ablauf des 27.03.2004 zur Folge. Entsprechend der Ankündigung im Schreiben vom 11.02.2004 erhielt der Kläger tatsächlich ein im Ergebnis um 840,00 Euro verringertes Arbeitslosengeld.

Der Kläger hat den Minderungsbetrag vom Beklagten als Schadensersatz geltend gemacht und behauptet, nur wegen der Verletzung der Informationspflicht der Beklagten aus § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III habe er in Unkenntnis die rechtzeitige Meldung beim Arbeitsamt als Arbeit suchend nicht vorgenommen. Der ihm daraus entstandene Schaden sei deshalb von der Beklagten zu 1 verursacht und ihr zuzurechnen, sie hafte neben dem handelnden Beklagten zu 2 als Gesamtschuldner.

Der Kläger hat b e a n t r a g t,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 840,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten haben

Klagabweisung

beantragt und die Auffassung vertreten, die Hinweispflicht des Arbeitgebers in § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III stelle keine vertragliche Nebenpflicht im Sinne des § 280 S. 1 BGB dar, ebenso wenig ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Deshalb scheide eine Schadensersatzverpflichtung insgesamt aus. Selbst wenn man anderer Auffassung sein wollte, müsse im Hinblick auf die eigene Meldepflicht des Klägers ein erhebliches Mitverschulden angenommen werden, das einen Schadensersatzanspruch jedenfalls entscheidend mindere.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, ein Schadensersatzanspruch ergebe sich weder aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, noch aus § 823 Abs. 2 BGB i. Verb. m. einem Schutzgesetz, weil § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht dem Schutz des Arbeitnehmers vor Minderung seines Leistungsanspruchs infolge verspäteter Meldung diene. Die Meldepflicht in § 37 b sei als alleinige Verpflichtung des Arbeitnehmers ausgestaltet, bei einem Verstoß gegen diese drohe allein dem Arbeitnehmer eine Minderung nach § 140 SGB III. Eine Übertragung des Risikos in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers könne dem Gesetz nicht entnommen werden. § 2 SGB III in der alten wie in der neuen Fassung beabsichtige in erster Linie, das Entstehen der Arbeitslosigkeit zu verhindern und bestehende Arbeitslosigkeit abzubauen, indem die Qualität und Schnelligkeit der Arbeitsvermittlung verbessert wird. Die Meldepflicht des Arbeitnehmers nach § 37 SGB III und die daran anknüpfende Sanktion des § 140 SGB III stünden im unmittelbaren arbeitsmarktpolitischen Kontext, genauso wie die Informationspflicht des Arbeitgebers nach § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III. Die Minderung des Arbeitslosengeldes sei kein primäres Instrument, die arbeitsmarktpolitische Lage zu verbessern. Folglich habe der Gesetzgeber ausschließlich ein eigenes Interesse daran, dass der Arbeitgeber den Arbeitne...

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