Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarkeit Leiharbeitsrichtlinie EU und AÜG. Keine Pflicht zur Arbeitsleistung bei unzulässiger Personalgestaltung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Leiharbeitsrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 ist mit § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG vereinbar.

 

Normenkette

TVöD § 4 Abs. 3; ArbGG § 69 Abs. 2; AÜG § 1 Abs. 3 Nr. 2b; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 22.01.2020; Aktenzeichen 3 Ca 3760/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.01.2024; Aktenzeichen 6 AZR 390/20)

BAG (EuGH-Vorlage vom 16.06.2021; Aktenzeichen 6 AZR 390/20 (A))

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Teilanerkenntnis- und Endurteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.01.2020 - 3 Ca 3760/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Personalgestellung des Klägers.

Wegen des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien einschließlich ihrer Rechtsansichten wird auf den nicht angegriffenen Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Bezug genommen und verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Teilanerkenntnis- und Endurteil vom 22.01.2020 den vorliegend noch interessierenden Antrag des Klägers festzustellen, dass die von der Beklagten durchgeführte Gestellung des Klägers an die A.-F.-Kliniken Service GmbH rechtswidrig ist, abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf seine Entscheidungsgründe unter B I. und II. Bezug genommen und verwiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 12.02.2020 zugestellte Urteil mit beim Berufungsgericht am 28.02.2020 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und sie mit beim Landesarbeitsgericht am 09.04.2020 eingegangenem Schriftsatz ausgeführt.

Er rügt auf der Grundlage seines Begründungsschriftsatzes vom 09.04.2020, der Gegenstand der Berufungsverhandlung war und auf den Bezug genommen und verwiesen wird, näher bestimmt fehlerhafte Rechtsanwendung des Arbeitsgerichts insoweit, als die auf § 4 Abs. 3 TVöD gestützte und vom Anwendungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nach § 1 Abs. 3 Nr. 2b ausgenommene Gestellung sehr wohl vom Geltungsbereich der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 (Leiharbeitsrichtlinie) erfasst sei.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.1.2020 wird abgeändert, soweit es die Klage abgewiesen hat und es wird festgestellt, dass die von der Beklagten durchgeführte Gestellung des Klägers an die A.-F.-Kliniken Service GmbH rechtswidrig ist.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt das erstinstanzliche Urteil auf der Grundlage ihres Schriftsatzes vom 15.05.2020, auf den sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 13.07.2020 Bezug genommen und verwiesen wird.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die statthafte, frist- und formgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der zur Entscheidung angefallene Klageantrag ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der Kläger ist verpflichtet, bei der A.-F.-Kliniken Service GmbH im Wege der Gestellung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit nachzugehen. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

1. Die Berufungskammer verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter B. I. und II. seiner Entscheidungsgründe und macht sich diese ausdrücklich zu eigen. Das Arbeitsgericht hat seiner Beurteilung in Bezug auf die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG mit der Leiharbeitsrichtlinie die anerkannten Auslegungsregeln zu Grunde gelegt und eine von Rechts wegen nicht zu beanstandende Subsumtion des von ihm festgestellten Sachverhaltes durchgeführt.

2. Die Berufungsangriffe des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Er stellt lediglich der Ansicht des Arbeitsgerichts seine eigene Beurteilung entgegen, ohne neue rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte aufzuzeigen. Die Berufungskammer sieht sich noch zu folgenden ergänzenden Ausführungen veranlasst:

a) Der Feststellungsantrag des Klägers ist auszulegen. Nach dem Grundsatz der Auslegung im wohlverstandenen Interesse ist das als Rechtsverhältnis zu bewertende Begehren dahin zu verstehen, dass der Kläger klären lassen will, dass er nicht verpflichtet ist, bei der A.-F.-Kliniken Service GmbH im Wege der unzulässigen Personalgestellung zu arbeiten.

b) Die vom Arbeitsgericht seiner Entscheidung zur Prüfung der Vereinbarkeit der Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG mit der Leiharbeitsrichtlinie zu Grunde gelegten Auslegungsregeln sind nicht zu beanstanden.

aa) Die unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts unterliegt folgenden Kriterien. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind die nationalen Gerichte gehalten, bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen, um das in der...

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