Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff „Entlassung” in § 18 Abs. 4 KSchG

 

Leitsatz (amtlich)

Der Begriff „Entlassung” in § 18 Abs. 4 KSchG ist, wie der entsprechende Begriff in § 17 Abs. 1 KSchG, im Sinne der Bedeutung als „Kündigung” zu verstehen.

 

Normenkette

KSchG § 18 Abs. 4, § 17 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 23.11.2007; Aktenzeichen 1 Ca 539/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.02.2010; Aktenzeichen 2 AZR 723/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 23.11.2007 (1 Ca 539/06) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten zu 1.) wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung, einen gegenüber der Beklagten zu 2.) geltend gemachten Anspruch das Arbeitsverhältnis fortzusetzen sowie einen gegen die Beklagte zu 1.) gerichteten Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs.

Die am 00.00.1972 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin arbeitet seit dem 15.07.1991 bei der Beklagten zu 1.) beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin als Arbeiterin in der Produktion zu einer monatlichen Vergütung von durchschnittlich EUR 3.500,00 brutto.

Die Beklagte zu 1.) betreibt ein Unternehmen, das Gummidichtungen für die Automobilindustrie herstellt. In ihrem Betrieb in B einschließlich einem Betriebsteil in K werden etwa 170 Arbeitnehmer beschäftigt. Mit Schreiben vom 13.06.2006 unterrichtete die Beklagte zu 1.) den bei ihr gebildeten Betriebsrat über eine beabsichtigte Schließung des gesamten Betriebes B in mehreren Teilschritten bis zum 30.06.2007 und die Verlagerung eines Teiles der Produktion in Betriebe anderer Unternehmen der F-Gruppe in Ku/Ungarn (knapp 1000 km entfernt; 470 Beschäftigte) und zur Beklagten zu 2.) nach H (260 km entfernt; 340 Beschäftigte). Ein Ablaufplan über die geplante Maschinenverlagerung mit einhergehendem Personalabbau bis zur endgültigen Schließung der Produktion zum 30.06.2007 wurde dem Betriebsrat vorgelegt. Wegen der Durchführung der beabsichtigten Betriebsschließung führte die Beklagte zu 1.) mit dem Betriebsrat schließlich unter Einschaltung einer Einigungsstelle Verhandlungen, die am 18.10.2006 zum Abschluss eines Interessenausgleichs zur Stilllegung des Betriebes und eines Sozialplans führten.

Mit Schreiben vom 27.11.2006 zeigte die Beklagte zu 1.) nach vorheriger Beteiligung des Betriebsrates bei der Agentur für Arbeit die geplante Massenentlassung an. Ein Bescheid der Agentur für Arbeit erging daraufhin am 11.12.2006. In der Folgezeit kündigte die Beklagte zu 1.) sämtlichen Arbeitnehmern des Betriebes in B und K zum 30.06.2007, so auch der Klägerin mit Schreiben vom 29.11.2006, nach Anhörung des Betriebsrates. Mit Wirkung ab 01.05.2007 übertrug die Beklagte zu 1.) den Betriebsteil in K (Oberflächenbeschichtung; 10 Arbeitnehmer) auf einen ehemaligen Zulieferbetrieb. Mit Wirkung vom 01.06.2007 wurde die Abteilung „Mischerei” einschließlich der dazugehörigen Instandhaltung und Qualitätssicherung (18 Arbeitnehmer) auf die H.er Schwestergesellschaft der Beklagten zu 1.), die Beklagte zu 2.) übertragen.

Die Klägerin hat gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses mit einem am 20.12.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben und die Auffassung vertreten, die betriebsbedingte Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Es fehle an einer endgültigen Stilllegungsentscheidung, eine solche habe jedenfalls zum Zeitpunkt der Kündigung noch keine „greifbaren Formen” angenommen. Es handele sich um eine Betriebsverlagerung in Form eines Betriebsübergangs. Die Massenentlassungsanzeige sei fehlerhaft, da dem Betriebsrat nicht ausreichend die Gründe für die beabsichtigte Massenentlassung dargelegt worden seien. Es bestehe ein Anspruch auf Nachteilsausgleich, da die Beklagte zu 1.) zumindest aufgrund der Veräußerung der Betriebsstätte in K und der Gummimischerei vom Interessenausgleich abgewichen sei. Ferner sei der Betriebsrat bei dem Zustimmungsbeschluss nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 29.11.2006 aufgelöst wurde, sondern fortbesteht.
  2. Die Beklagte zu 2.) wird verurteilt, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ab 01.07.2007 unter Anerkennung der Ansprüche der Klägerin aus dem für die Beklagte zu 1.) errichteten Sozialplan im Falle der betriebsbedingten Kündigung fortzusetzen.
  3. Die Beklagte zu 1.) wird verurteilt, an die Klägerin eine vom Gericht gemäß § 10 KSchG festzusetzende Abfindung zu zahlen.

Die Beklagten haben erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben ausgeführt, der Geschäftsführer der Beklagten zu 1.) habe mit dem gesetzlichen Vertreter der Alleingesellschafterin und mit dem Chef der E-Produktgruppe in Absprache mit dem Mutterkonzern vor Ausspruch der Kündigung die Entscheidung getroffen, den Produktionsbetrieb in B ...

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