Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswidriger Ausschluss eines Teilzeitbeschäftigten von Sozialplanprämie

 

Leitsatz (amtlich)

Das Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 2 TzBfG verbietet es, befristet Beschäftigte von einer Treueprämie auszunehmen, die in einem Sozialplan dafür ausgelobt wird, dass die Arbeitnehmer bis zum Eintritt der Betriebsänderung in ihren Arbeitsverhältnisse verbleiben und diese nicht vorzeitig kündigen.

 

Normenkette

TzBfG § 4 Abs. 2 S. 1; BetrVG § 112 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 03.04.2012; Aktenzeichen 2 Ca 478/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.12.2014; Aktenzeichen 1 AZR 406/13)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 03.04.2012 (2 Ca 478/11) abgeändert:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.000,-- Eur brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wie folgt zu zahlen:

    Siehe Berichtigungsbeschluss v. 23.04.2013 am Ende des Urteils.

    • -

      aus 800,-- Eur ab dem 03.12.2011

    • -

      aus 600,-- Eur ab dem 14.02.1012

    • -

      aus 300,-- Eur ab dem 02.03.2012

    • -

      aus 300,-- Eur ab dem 03.04.2012.

  • 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  • 3.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten, ihm die Treueprämie für die Monate August 2011 bis März 2012 gem. § 4 des Sozialplans vom 18.07.2011 in Höhe von insgesamt 2.000,-- Euro brutto zu zahlen.

Die Beklagte stellt salzige Knabbersnacks her, die sie unter den Markennamen ... vertreibt. In vier Werken werden täglich ca. 420.000 Paletten Knabbersnacks produziert. Bis zum 31.03.2012 vertrieb die Beklagte rund ein Viertel der Ware über ihren sog. Frischdienst, für den 230 Frischdienstverkäufer, 21 Lagermitarbeiter und 18 Gebietsverkaufsleiter arbeiteten. Davon waren zuletzt etwa 50 Mitarbeiter befristet beschäftigt.

Der Kläger arbeitete seit dem 18.09.2006 ebenfalls als Frischdienstverkäufer für die Beklagte. Die Parteien schlossen mehrere befristete Arbeitsverträge ab. Der vorletzte Vertrag war bis zum 31.03.2011 befristet.

Im Januar 2011 beschloss die Beklagte, den Frischdienst am 31.03.2012 zu schließen. Sie begründete diese Entscheidung mit Veränderungen in der Logistik des Einzelhandels. Einzelhandelsketten wie E. und R. bauten ihre Logistik zunehmend aus, sodass für die eigene Frischdienstorganisation kein dauerhafter Bedarf mehr bestehe. Im Februar 2011 wurden die Mitarbeiter des Frischdienstes in mehreren Versammlungen über die Entscheidung des Unternehmens informiert.

Mit Schreiben vom 22.02.2011 bot die Beklagte dem Kläger an, das Arbeitsverhältnis über den 31.03.2011 bis zum Abschluss der Reorganisation des Außendienstes am 31.03.2012 zu verlängern. Die bisherigen Arbeitsbedingungen einschließlich der Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses sollten bestehen bleiben. Der Kläger nahm das Angebot an (Anlage BB 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 18.10.2012, Bl. 95 der Akte). Seine später eingereichte Klage, mit der er sich gegen die Befristung des Arbeitsverhältnisses wandte, hatte keinen Erfolg (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.07.2012, 13 Sa 65/12).

Am 18.07.2011 schlossen die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan ab. Dieser enthielt u.a. folgende Regelungen:

"Präambel

Die Geschäftsleitung von ... hat beschlossen, die Frischdienstorganisation mit Wirkung zum 31. März 2012 zu schließen. Dieser Sozialplan dient dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die auf der Stilllegung der Frischdienstorganisation beruhen.

Die Betriebsparteien haben sich im Zuge der Umsetzung der Betriebsänderung auf verschiedene Module auf Basis von 240 betroffenen Mitarbeitern geeinigt. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Module wird auf Basis von 240 Mitarbeitern eine maximale Gesamtzahllast von 10,1 Mio. EUR inkl. einer Prämie nicht überschritten werden.

§ 1 Geltungsbereich

1. Diese Vereinbarung findet auf alle Mitarbeiter im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG Anwendung, die am 01. März 2011 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen und von der Stilllegung der Frischdienstor- ganisation zum 31. März 2012 betroffen sind.

2. Keinen Anspruch aus diesem Sozialplan haben Mitarbeiter,

...

d) die lediglich ein befristetes Arbeitsverhältnis haben, sofern de- ren Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig auf Veranlassung der Fir- ma ... betriebsbedingt beendet wird.

...

§ 2 Abfindungen bei betriebsbedingtem Arbeitsplatzverlust

...

6. Eigenkündigungen und Aufhebungsvertrag

Die Betriebsparteien haben das gemeinsame Verständnis, dass der Geschäftsbetrieb in der Frischdienstorganisation möglichst bis zum 31. März 2012 uneingeschränkt aufrecht erhalten werden soll.

Mitarbeiter, die eine Eigenkündigung aussprechen, durch die das Ar-

beitsverhältnis vor dem 01. Januar 2012 beendet wird, oder mit denen

auf deren Veranlassung ein Aufhebungsvertrag mit Wirkung vor dem 01. Januar 2012 geschlossen wird, erhalten keine Abfindung oder sonstige Sozialplanleistungen nach den vorstehenden Absätzen.

Mitarbeiter, die eine Eigenkündigung aussprechen, die zwisc...

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