Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen des Verstoßes der vereinbarten Wochenarbeitszeit gegen § 3 ArbZG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verstößt die vereinbarte (Wochen-) Arbeitszeit gegen § 3 ArbZG, werden die zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitszeiten nicht insgesamt unwirksam, sondern sie bleiben insoweit bestehen, als sie mit den zeitlichen Grenzen der arbeitszeitrechtlich zulässigen Höchstarbeit nach § 3 ArbZG vereinbar sind.

2. Die Vergütungsvereinbarung der Parteien wird von dieser Teilnichtigkeit nicht berührt.

3. Der Arbeitnehmer kann daher für die unter Verstoß gegen § 3 ArbZG geleistete vertraglich vereinbarte Arbeitszeit keine Mehrarbeitsvergütung verlangen.

 

Normenkette

ArbZG § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 19.05.2015; Aktenzeichen 5 Ca 478/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.08.2016; Aktenzeichen 5 AZR 129/16)

BAG (Urteil vom 24.08.2016; Aktenzeichen 5 AZR 129/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Offenburg vom 19.05.2015, Az. 5 Ca 478/14 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Vergütung von Arbeitszeit, die sie täglich über die Grenze von 8 Stunden hinaus für die Beklagte geleistet hat.

Die Klägerin war bei der Beklagten vom 19.5.2008 bis zum 31.5.2014 in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt. Auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 13.5.2008 (Bl. 52-55 der arbeitsgerichtlichen Akte) erhielt sie eine Stundenvergütung von anfänglich 11,00 € pro Stunde.

Bezüglich der Arbeitszeit heißt es:

"Die Arbeitszeiten werden von der Betriebsleitung nach arbeitstechnischen Gesichtspunkten festgesetzt und dem Arbeitnehmer rechtzeitig im Voraus mitgeteilt.

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt derzeit ca. 45 Stunden wöchentlich."

Ihr Jahresverdienst betrug im Jahr 2010 € 30.612,72.

Am 1.3.2011 änderten die Parteien auf Wunsch der Klägerin, die in das "Angestelltenverhältnis", das verschiedene Vergünstigungen bot, übernommen werden wollte, die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ab und schlossen einen geänderten Arbeitsvertrag (Bl. 12-14 der arbeitsgerichtlichen Akte). In diesem Vertrag heißt es unter anderem:

"§ 3 Entgelt

Das monatlich nachträglich zu zahlende Bruttogehalt beträgt Euro 2.500,00. Der Arbeitgeber gewährt, soweit die wirtschaftlichen Verhältnisse dies zulassen, ein 13. Monatsgehalt, das mit dem Dezembergehalt zeitanteilig ausbezahlt wird.

§ 4 Arbeitszeit

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich und wird durch unser Zeiterfassungssystem erfasst.

Die derzeitige Arbeitszeit ist wie folgt festgelegt:

6:00 Uhr bis 12:00 Uhr

12:00 Uhr bis 12:30 Uhr (Pause)

12:30 Uhr bis 17:00 Uhr

§ 5 Urlaub

Der Jahresurlaub beträgt 30 Tage und wird im Einvernehmen mit der Geschäftsführung festgelegt."

Im Vorfeld der Abänderung des Arbeitsvertrages wurden die Klägerin und Frau G. nach ihrer bisherigen Arbeitszeit befragt. Sie gab eine Tätigkeit von 6:00 Uhr morgens bis 17:00 Uhr nachmittags mit einer 30-stündigen Pause an. Auf Nachfrage, ob sie nicht 1 Stunde Pause machen wollen lehnte die Klägerin dies ab. Diese Arbeitszeiten wurden dann in dem von der Beklagten erstellten neuen Arbeitsvertrag so festgehalten.

Die Klägerin arbeitete täglich bei einer 5-Tage-Woche von 6:00 Uhr morgens bis 17:00 Uhr. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin ohne Pause durcharbeitete oder eine halbe Stunde Pause täglich gemacht hat. Ab Februar 2013 bis Ende Oktober 2013 arbeitete die Klägerin unstreitig 10,5 Stunden zuzüglich einer halben Stunde Pause täglich. Wenn die Klägerin mehr als 10,5 Stunden arbeitete, hat sie zeitnah Freizeitausgleich für diese Stunden als Überstunden geltend gemacht und auch erhalten. Dazu kam es beispielsweise im Mai 2013. Die Klägerin ist dabei selbst von einer täglichen Arbeitszeit von 10,5 Stunden ausgegangen und hat nur die darüber hinausgehende Arbeitszeit als Überstunden geltend gemacht, die durch Freizeitausgleich ausgeglichen worden sind.

Nach einer Beanstandung durch das Gewerbeaufsichtsamt wurde die regelmäßige tägliche Arbeitszeit der Klägerin ab dem 1.11.2013 auf 9,5 Stunden reduziert und die Beklagte reduzierte das Bruttomonatsgehalt der Klägerin entsprechend von 2.500,00 € auf 2.265,00 €. Auf Rüge der Klägerin hin vom 15.1.2014 zahlte die Beklagte die Vergütungsdifferenz für die Monate November und Dezember 2013 an die Klägerin nach.

Mit Schreiben vom 19.12.2014 und der am 30.12.2014 bei Gericht eingegangenen Klage macht die Klägerin die Vergütung für 12,5 Stunden wöchentliche Mehrarbeit im Zeitraum vom 1.3.2011 bis zum 30.9.2013 geltend. Dabei geht sie davon aus, dass die von ihr geleistete tägliche Arbeitszeit 10 Stunden betragen hat. Da sie zusätzlich die 30-minütige Pause durchgearbeitet habe, habe sie jeden Tag 2,5 Stunden über die vereinbarte Zeit von 8 Stunden hinaus gearbeitet.

Zur Begründung trägt sie vor, aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag folge, dass das monatlic...

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