Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlangen des Betriebsrats auf Einholung seiner nachträglichen Zustimmung zur Eingruppierung. Differenzierung zwischen Rechtsanwendung einer Norm und Ein- oder Umgruppierung. Keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei Ermittlung des Vergleichsentgelts für ein freigestelltes Betriebsratsmitglied

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ermittlung des Vergleichsentgelts für ein freigestelltes Mitglied des Betriebsrats gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG stellt auch dann keine mitbestimmungspflichtige Ein- bzw. Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar, wenn infolge der Vergütungsbestimmung ein Entgelt gemäß einer tariflichen Vergütungsgruppe gezahlt wird.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Betriebsrat kann in Fällen, in denen der Arbeitgeber eine Ein- oder Umgruppierung vorgenommen hat, ohne zuvor versucht zu haben, die nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, über den Wortlaut des § 101 BetrVG hinaus zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts die nachträgliche Einholung seiner Zustimmung sowie bei deren Verweigerung die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG verlangen.

2. Bei der Bestimmung der Vergütung des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden durch den Arbeitgeber handelt es sich um einen Akt der Rechtsanwendung. Indes liegt nur eine Rechtsanwendung gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG vor. Dies stellt keine Eingruppierung bzw. Umgruppierung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar.

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1, § 37 Abs. 4 S. 1, § 78 S. 2, § 99 Abs. 4, § 101

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 07.12.2022; Aktenzeichen 2 BV 3/22)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mannheim vom 7. Dezember 2022, Az. 2 BV 3/22, wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Vergütungsbestimmung des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden.

Die Beteiligte Ziff. 2 (im Folgenden: Arbeitgeberin) produziert am Standort M. .... . Sie beschäftigt derzeit ca. 500 Arbeitnehmer sowie ca. 60 Auszubildende. Bei dem Beteiligten Ziff. 1 (im Folgenden: Betriebsrat) handelt es sich um den aus elf Mitgliedern bestehenden Betriebsrat am Standort M..

Im Unternehmen gilt ein zwischen der Arbeitgeberin und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossener Haustarifvertrag (im Folgenden: HTV). Dieser enthält in Anlage 21 ein Vergütungsgruppenverzeichnis mit 14 Vergütungsgruppen. Jede Vergütungsgruppe enthält allgemeine Tätigkeitsmerkmale sowie Regelbeispiele zur tariflichen Eingruppierung der Mitarbeiter (siehe ABl. 111). Daneben besteht ein Vergütungstarifvertrag (im Folgenden: VTV), aktuell mit einer Laufzeit bis 30. Juni 2023 (ABl. 78 f der erstinstanzlichen Akte).

Der heutige Vorsitzende des Betriebsrats, Herr L., ist seit 1986 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist ausgebildeter Dreher. Mit Wirkung ab dem 1. Juni 1992 wurde er als Schlosser eingesetzt. Die Vergütung erfolgte zunächst nach dem HTV iVm. dem jeweils geltenden VTV. Im Jahr 1994 wurde Herr L. in den Betriebsrat gewählt, seit dem Jahr 1998 ist er für seine Betriebsratsarbeit von Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Im März 2002 erfolgte die Wahl zum Vorsitzenden des Betriebsrats. In dieser Funktion ist Herr L. bis heute tätig.

Zu Beginn seiner Freistellung erhielt Herr L. zunächst weiter eine Vergütung unter Bezugnahme auf eine tarifliche Vergütungsgruppe. Nach der Übernahme des Betriebsratsvorsitzes wurden ihm außerdem eine "Sonderpauschale" sowie eine "Funktionspauschale" gezahlt. Im Jahr 2002 betrug das monatliche Gehalt ausgehend von der tariflichen Vergütungsgruppe 8/10 insgesamt 4.207,35 EUR brutto. Seit dem 1. April 2006 wurde der Betriebsratsvorsitzende dann als außertariflicher Angestellter geführt. Die Vergütung wurde in den Folgejahren mehrfach erhöht. Die Gesamtvergütung belief sich im Jahr 2021 schließlich auf 162.919,57 EUR brutto (mithin im Durchschnitt auf 13.576,63 EUR brutto pro Monat). Darin enthalten war auch ein geldwerter Vorteil für den zur Privatnutzung freigegebenen Dienstwagen.

Bereits im Jahr 2014 war es zu einer ersten Überprüfung der Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden gekommen, ohne dass im Folgenden eine wesentliche Veränderung vorgenommen wurde. Ende 2021 sah sich die Arbeitgeberin wiederum veranlasst, die Bezüge von Herrn L. zu überprüfen.

Mit Schreiben vom 14. Juni 2022 teilte die Arbeitgeberin Herrn L. Folgendes mit:

"Anpassung Ihrer Bezüge

Sehr geehrter Herr L.,

wie Ihnen bekannt ist, prüft der Vorstand der ... AG ("G.") bereits seit einiger Zeit mit Unterstützung von externen juristischen Beratern die Vereinbarkeit Ihrer bisherigen Bezüge mit den Anforderungen des geltenden Rechts. Diese Prüfung ist inzwischen abgeschlossen. Sie hat zu dem Ergebnis geführt, dass G. Ihnen bisher eine Vergütung gezahlt hat, auf die kein Anspruch besteht. Wir werden Ihre Vergütung daher mit sofortiger Wirkung anpassen...

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