Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifpluralität. Verbandstarifverträge und Firmentarifverträge. Tarifbezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag. Verschmelzung durch Aufnahme

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wie im Fall der Verschmelzung im Wege der Neugründung gilt ein Firmentarifvertrag im Fall der Verschmelzung durch Aufnahme kollektivrechtlich fort.

2. An der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine bestehende Tarifpluralität nach dem Prinzip der Tarifeinheit dahingehend aufzulösen ist, dass nur die spezielleren Tarifverträge Anwendung finden, wird festgehalten.

 

Normenkette

TVG § 3 Abs. 1; UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 1; BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Beschluss vom 26.07.2004; Aktenzeichen 30 BV 181/03)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 26.07.2004 – Aktenzeichen 30 BV 181/03 – wird mit der Maßgabe, dass das Beschlussverfahren hinsichtlich der Arbeitnehmerin G. H. eingestellt ist, zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die antragstellende Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der vom Betriebsrat am Standort S-L für den Gemeinschaftsbetrieb der Unternehmen T-S. International GmbH, T-S. G. GmbH und D. T. T. GmbH (fortan: Betriebsrat) verweigerten Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmer/innen M. S., K. Z., R. H., A. F., S. B., K. H. und M. R..

Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um die ehemalige d. S. GmbH, die am 28.11.2001 (Handelsregistereintragung) in die T-S. ITS GmbH umfirmierte, am 11.12.2002 (Handelsregistereintragung) im Wege der Verschmelzung die damalige T-S. International GmbH (fortan: TSI alt) aufnahm und datumsgleich (Handelsregistereintragung) in die antragstellende Arbeitgeberin umfirmierte (Firmierung entspricht TSI alt).

Am 20.03.2002 hatte die TSI alt mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ein Tarifwerk für die bei der TSI alt beschäftigten Arbeitnehmer abgeschlossen. Das Tarifwerk umfasst einen Manteltarifvertrag (MTV TSI), einen Entgelttarifvertrag (ETV TSI), einen Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV TSI), einen Tarifvertrag über besondere Arbeitsbedingungen (TV SR TSI) sowie weitere Tarifverträge. § 54 Abs. 1 TV SR TSI bestimmt, dass die Arbeitnehmer mit ihrem bisherigen individuellen Jahreszielgehalt in den ERTV TSI überführt werden. Vor der Verschmelzung am 11.12.2002 änderten die Tarifvertragsparteien am 11.10.2002 den Geltungsbereich des Tarifwerks dahingehend, dass Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Altersteilzeittarifvertrag nicht für die Arbeitnehmer gelten, die organisatorisch den Buchungskreisen 08 und 10 zugeordnet sind. Insoweit wurde bestimmt, dass der Ergänzungstarifvertrag zu den Flächentarifverträgen der Metallindustrie fortgelte. In S.-L. waren und sind im Buchungskreis 08 ca. 1.200 Arbeitnehmer und im Buchungskreis 10 ca. 1.000 Arbeitnehmer beschäftigt.

Der ERTV TSI vom 04.11.2004, in Kraft getreten am 01.09.2004, sieht in der Protokollnotiz zu § 1 Abs. 1 und 2 in Ziff. 1 vor, dass „in der Zeit bis zum 31.12.2004 der Entgeltrahmentarifvertrag der T-S. International GmbH keine Anwendung findet auf a) Arbeitnehmer, die organisatorisch den Buchungskreisen (BK) 08 oder 10 zugeordnet sind. …”.

Bei der T-S. ITS GmbH fanden kraft Mitgliedschaft im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg die Flächentarifverträge Metall sowie – speziell – der Ergänzungstarifvertrag für Beschäftigte von d.-Unternehmen vom 03.09./10.09.1998 zwischen der „Tarifgemeinschaft von Dienstleistungsunternehmen, die Mitglieder im Verband der Metallindustrie Baden-Württemberg e. V. sind” und der Industriegewerkschaft Metall (fortan: DLTV) Anwendung. Dieser Ergänzungstarifvertrag sieht die räumliche und fachliche Geltung für die in einer Anlage 2 aufgeführten Betriebsstätten der Unternehmen der Tarifgemeinschaft vor. In dieser Anlage 2 sind die Betriebsstätten der Firma d. AG, d. S. GmbH sowie 10 weitere Unternehmen aufgeführt. Die Arbeitgeberin als Rechtsnachfolgerin der T-S. ITS GmbH ist am 30.06.2003 als Mitglied aus dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg ausgetreten.

Im Verschmelzungsvertrag (im Sinne des § 2 Nr. 1 UmwG) zwischen der TSI alt und der T-S. ITS GmbH vom 25.10.2002 heißt es in § 5 Abs. 3:

„Soweit die Rechte und Pflichten für die Arbeitnehmer der T-S. (gemeint ist TSI alt) durch Rechtsnormen von mit ver.di abgeschlossenen Haustarifverträgen (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Tarifvertrag über besondere Arbeitsbedingungen; alle vom 20.03.2002) geregelt sind, gelten diese kollektivrechtlich weiter, weil die ITS (gemeint ist T-S. ITS GmbH) im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge Partei dieser Tarifverträge wird. Daneben bleibt auch die Mitgliedschaft der ITS in den Metall-Arbeitgeberverbänden bestehen. Es entsteht Tarifpluralität, in deren Folge es für diejenigen Arbeitnehmer der ITS, die organisatorisch den Buchungskreisen 49 und 59 zuge...

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