Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifpluralität. Verbandstarifverträge und Firmentarifverträge. Tarifbezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag. Verschmelzung durch Aufnahme

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ebenso wie im Fall der Verschmelzung im Wege der Neugründung geht im Fall der Verschmelzung durch Aufnahme ein Firmentarifvertrag aufgrund der gesetzlich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge uneingeschränkt auf den neu gegründeten Rechtsträger über.

2. Eine entstehende Tarifpluralität ist nach dem Prinzip der Tarifeinheit dahingehend aufzulösen ist, dass nur die spezielleren Tarifverträge Anwendung finden, an die die Arbeitgeberin aufgrund der Verschmelzung gebunden ist.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1; UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 1; TVG § 3 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Beschluss vom 16.07.2004; Aktenzeichen 30 BV 184/03)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 16.07.2004 (Az.: 30 BV 184/03) wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die zutreffende Eingruppierung des im Betrieb L. beschäftigten Arbeitnehmers S. B..

Die Antragstellerin ist die Firma T. E. S. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin). Die Arbeitgeberin ging aus einer Verschmelzung und mehreren Umfirmierungen hervor, und zwar im Einzelnen wie folgt: Die ehemalige d. S. GmbH mit Sitz in L. wurde am 28.11.2001 in die Firma T. I. GmbH umfirmiert. Am 11.12.2002 wurde die ehemalige Firma T. I. GmbH (im Folgenden: TSI alt) auf die Firma T. I. GmbH verschmolzen. Im Verschmelzungsvertrag vom 25.10.2002 wurde in § 5 Abs. 3 Folgendes geregelt:

„Soweit die Rechte und Pflichten für die Arbeitnehmer der T. (gemeint ist TSI alt) durch Rechtsnormen von mit ver.di abgeschlossenen Haustarifverträgen (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Tarifvertrag über besondere Arbeitsbedingungen; alle vom 20.03.2002) geregelt sind, gelten diese kollektivrechtlich weiter, weil die ITS (gemeint ist T. I. GmbH) im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge Partei dieser Tarifverträge wird. Daneben bleibt auch die Mitgliedschaft der ITS in den Metall-Arbeitgeberverbänden bestehen. Es entsteht Tarifpluralität, in deren Folge es für diejenigen Arbeitnehmer der ITS, die organisatorisch den Buchungskreis 49 und 59 zugeordnet sind, kraft Spezialität der Haustarifverträge mit ver.di zu einer Verdrängung der mit der IGM bestehenden tarifvertraglichen Regelung kommt. Hinsichtlich der Arbeitnehmer der ITS, die organisatorisch den Buchungskreisen 08 und 10 zugeordnet sind, findet sich in den mit ver.di geschlossenen Haustarifverträgen eine Bereichsausnahme, mit der Folge, dass insoweit die Rechte und Pflichten aus den mit der IGM geschlossenen tarifvertraglichen Regelungen fortbestehen.

T. verhandelt gegenwärtig mit ver.di über den Abschluss eines Haustarifvertrages betreffend Sonderregelungen für Arbeitnehmer der Buchungskreise 49 und 59 der ITS (TV SR). Mit Abschluss des TV SR würden die dortigen Tarifnormen in ihrem Anwendungsbereich die Rechte und Pflichten aus den mit ver.di unter den mit 20.03.2002 geschlossenen Tarifverträgen modifizieren. Dies gilt unabhängig davon, ob der TV SR vor oder nach dem Wirksamwerden der Verschmelzung abgeschlossen wird.”

Ebenfalls am 11.12.2002 wurde sodann die Firma T. I. GmbH in die Firma T. I. GmbH umfirmiert, die nunmehr unter der Firma T. E. S. GmbH im Handelsregister eingetragen ist (die jetzige Arbeitgeberin).

Der Antragsgegner ist der im Betrieb L. gebildete Betriebsrat. Im Betrieb sind ca. 2.500 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Arbeitgeberin beschäftigt. Nach Auffassung des Betriebsrats handelt es sich um einen Gemeinschaftsbetrieb, der vom Unternehmen der Arbeitgeberin, der Firma T. G. GmbH und der Firma D. T. T. GmbH gebildet wird.

Nach der Verschmelzung fanden im Unternehmen der Arbeitgeberin und dem Betrieb L. folgende Tarifverträge Anwendung:

Für den Tarifbereich Nordwürttemberg/Nordbaden hatte eine Tarifgemeinschaft von Dienstleistungsunternehmen, sämtlich Mitglieder im Verband der Metallindustrie Baden-Württemberg, mit der Industriegewerkschaft Metall am 03.09.1998 und mit der Deutschen Angestellten Gewerkschaft am 09.09.1999 einen Ergänzungstarifvertrag (im Folgenden: DLTV) abgeschlossen. Dieser Tarifvertrag enthielt Regelungen, die die Flächentarifverträge der Metallindustrie des Tarifgebietes Nordwürttemberg/Nordbaden ergänzten und teilweise abänderten. Der Ergänzungstarifvertrag galt räumlich und fachlich für die in einer Anlage 2 aufgeführten Betriebsstätten der Unternehmen der Tarifgemeinschaft. In dieser Anlage 2 waren die Betriebsstätten der Firma d. AG, d. S. GmbH sowie zehn weitere Unternehmen aufgeführt.

Die Arbeitgeberin als Rechtsnachfolgerin der T. I. GmbH ist am 30.06.2003 als Mitglied aus dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg ausgetreten.

Am 20.03.2002 hatte die Firma TSI alt mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ein Tarifwerk für die bei dieser Firma beschäftigten ...

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