Entscheidungsstichwort (Thema)

einstweilige Verfügung gegen den Wahlvorstand im laufenden Mahlverfahren zur Ermittlung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Einstweilige Verfügungen, durch welche dem Wahlvorstand bestimmte Handlungen aufgegeben und hierdurch vollendete Tatsachen für das weitere Wahlverfahren geschaffen werden, sind nur in besonderen Ausnahme fällen zulässig. Ein solcher Ausnahme fall liegt regelmäßig nur dann vor, wenn im einstweiligen Verfügungsverfahren mit Sicherheit festgestellt werden kann, daß ein wesentlicher Fehler im Wahlverfahren vorliegt, der zweifelsfrei die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Wahl begründet, und dieser Fehler durch die einstweilige Verfügung noch korrigierbar ist. Dies setzt zumindest voraus, daß die maßgeblichen Tatsachen zweifelsfrei feststehen und unter Zugrundelegung dieser Tatsachen die Rechtslage eindeutig ist.

2.) Die Wiederholung einer Abstimmung nach § 9 Abs. 3 MitbestG, an deren Ordnungsmäßigkeit der Wahlvorstand berechtigberweise schwerwiegende Zweifel hat, ist kein offensichtlicher Verfahrensverstoß.

 

Normenkette

ZPO § 85 Abs. 2, § 935 ff.; MitbestG §§ 22, 9 Abs. 3; 3.WO MitbestG § 19 Abs. 2; 3.WO MitbestG § 3 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Aktenzeichen 7 BVGa 1/88)

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Beschwerde des Beteiligten Ziff. 8 ist begründet; die zulässigen Beschwerden der Beteiligten Ziff. 1–7 sind unbegründet.

A.

I.

Die Beschwerde des auch nach der hinsichtlich der Ziff. 1 a des angefochtenen Beschlusses erfolgten teilweisen Einstellung des Verfahrens durch die Ziff. 1 b des angefochtenen Beschlusses weiterhin beschwerten Beteiligten Ziff. 8 ist gem. § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft. Die Anfechtungsberechtigung des Bet. Ziff. 8 folgt bereits aus seinem teilweisen Unterliegen im ersten Rechtszug (vgl. BAG vom 25.8.81 – 1 ABR 61/79 – in DB, 546 ff unter B. I. 2.a. der Gründe). Die Beschwerde ist fristgerecht (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und formgerecht (§§ 89 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) eingelegt und begründet (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) worden.

II.

Die Beschwerde ist auch begründet, da die der erkennenden Kammer möglichen tatsächlichen Feststellungen den Erlaß der von den Beteiligten Ziff. 2–7 begehrten und vom Arbeitsgericht beschlossenen einstweiligen Verfügung nicht rechtfertigen. Im einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:

1.

Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Gerichte für Arbeitssachen gem. § 2 a. Abs. 1 Ziff. 2 ArbGG für die Entscheidung über die im Streitfall geltend gemachten Ansprüche sachlich zuständig sind und das Beschlußverfahren gem. § 2 a. Abs. 2 ArbGG die richtige Verfahrensart ist.

Die Beteiligtenfähigkeit der Beteiligten Ziff. 2–7 folgt ohne weiteres aus § 10 ArbGG.

Über die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens hinaus waren keine weiteren Personen oder Stellen zu beteiligen (§ 83 Abs. 3 ArbGG). Insbesondere war auch nicht etwa eine Beteiligung des Gesamtbetriebsrates oder der im Unternehmen der Beteiligten Ziff. 9 vertretenen Gewerkschaften veranlaßt, haben diese doch von einer etwaigen ihnen nach § 22 Abs. 2 Ziff. 2 und 4 Mitbestimmungsgesetz zustehenden Antragsbefugnis keinen Gebrauch gemacht (vgl. hierzu BAG vom 19.9.85 – 6 ABR 4/85 – in NZA 86, 368 f. unter II. der Gründe; BAG vom 4.12.86 – 6 ABR 48/85 – in NZA 87, 166 f. unter II. 2. der Gründe).

2.

Auch die Antragsbefugnis der Beteiligten Ziff. 2–7, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Sachurteilsvoraussetzung darstellt (vgl. BAG vom 25.8.81, a.a.O., unter B. II. 3.a. der Gründe; BAG vom 30.10.86 – 6 ABR 52/83 – in DB 87, 1642 f. unter 2.a. der Gründe; anderer Ansicht Grunsky, ArbGG, 5. Auflage, § 80 Rz. 29, 29 a.) hat die erkennende Kammer für vorliegend erachtet. Allerdings wäre die Antragsbefugnis dann zu verneinen, wenn Maßnahmen des Wahlvorstandes in einem laufenden Aufsichtsratswahlverfahren gar nicht angegriffen werden könnten. Es entspricht jedoch jedenfalls für den Bereich des Mitbestimmungsgesetzes ebenso wie für jenen des Betriebsverfassungsgesetzes ganz allgemeiner Auffassung, daß einzelne Maßnahmen oder Entscheidungen des Wahlvorstandes bereits vor Abschluß der Wahl während des Wahlverfahrens vor den Gerichten für Arbeitssachen selbständig angegriffen werden können (vgl. zum Milbestimmungsgesetz: Raiser, Mitbestimmungsgesetz, 2. Auflage, § 22 Rz. 24 ff; Fitting-Wlotzke-Wißmann; Mitbestimmungsgesetz, § 22 Rz. 32 ff; LAG Düsseldorf Beschluß vom 19.12.77 – 2 TaBV 37/77 – in DB 78, 255; vgl. zum Betriebsverfassungsgesetz: BAG vom 15.12.72 – 1 ABR 8/72 – in AP Nr. 1 zu § 14 BetrVG 1972 unter II. A. 1. der Gründe; BAG vom 25.8.81, a.a.O., unter B. II. 3.a. der Gründe; Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, GK-Kreutz, § 18 Rz. 64 ff mit zahlreichen Nachweisen; Hanau, Die Anfechtung der Betriebsratswahl, DB, Beilage N...

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