Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO bei der Frage, ob die Kündigungsschutzklage durch Verschulden des Klägers nicht rechtzeitig erhoben wurde. Nichtabhilfeentscheidung. Alleinentscheidung. Anwaltsverschulden

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Tatsache, dass die Nichtabhilfeentscheidung, die der Vorsitzende des Arbeitsgerichts bei einer Beschwerde gegen eine eine Entscheidung der vollbesetzten Kammer trifft, ohne ehrenamtliche Richter erlässt, führt nicht notwendigerweise zur Zurückverweisung des Verfahrens.

 

Normenkette

KSchG § 5 Abs. 4 S. 2; ArebGG § 78 S. 1; ZPO § 567 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Heilbronn (Beschluss vom 10.04.2002; Aktenzeichen 4 Ca 67/02)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 10.04.2002 – 4 Ca 67/02 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Der Wert des Gegenstandes des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 3 300,00 festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten über die nachträgliche Zulassung der vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers verspätet erhobenen Kündigungsschutzklage. Im Hauptverfahren geht es um die Wirksamkeit einer dem Kläger, der ab 04.05.1998 bei der Beklagten, die mehrere tausend Arbeitsnehmer beschäftigt, als Arbeiter zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von zuletzt EUR 2 200,00 beschäftigt war, am 16.11.2001 zugegangenen ordentlichen Kündigung der Beklagten vom selben Tag. Hiergegen ließ der tarifgebundene Kläger nach Mandatserteilung innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG durch einen Rechtssekretär der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Heidelberg, Klage erheben, die am 10.12.2001, mithin nach Ablauf der Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG, beim Arbeitsgericht Heilbronn auf dem Postweg einging. Von diesem Umstand erlangte der Kläger am 11.01.2002 Kenntnis. Entgegen der Mitteilung in der Klageschrift „vorab zur Fristwahrung per Fax” veranlaßte die DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Heidelberg, keine fristwahrende Klageerhebung per Telefax. Mit beim Arbeitsgericht am 25.01.2002 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag beantragte der Kläger die nachträgliche Klagezulassung.

Er hat zur Begründung seines Antrages darauf abgestellt, sein Prozeßbevollmächtigter habe sämtliche Sorgfaltspflichten beachtet, ein Versehen im Büro-Bereich habe zur Fristversäumung geführt. Wegen der Begründung des Antrages im Einzelnen wird auf die Darstellung des Sachverhaltes (unter I der Gründe) des angegriffenen Beschlusses in entsprechender Anwendung des § 69 Absatz 2 ArbGG sowie ergänzend auf das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 25.01.2002 nebst Anlagen (Aktenseiten 22 bis 27) Bezug genommen. Demgegenüber hat die Beklagte die Zurückweisung des Antrages mit einem dem Kläger nach § 85 Absatz 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden seines Prozeßbevollmächtigten begründet.

Mit Beschluß vom 10.04.2002, dem Kläger am 17.04.2002 zugestellt, hat das Arbeitsgericht den zulässigen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, ein dem Kläger zuzurechnendes Organisationsverschulden seines Prozeßbevollmächtigten sei darin zu sehen, daß er keine Vorkehrungen für eine funktionierende Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze getroffen habe. Der beim Arbeitsgericht am 30.04.2002 eingegangenen sofortigen Beschwerde des Klägers vom selben Tag half das Arbeitsgericht mit Beschluß vom 02.05.2002 in anderer Kammerbesetzung nicht ab. Zur Begründung seiner sofortigen Beschwerde stellt der Kläger entscheidend darauf ab, daß ihm ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten im Anwendungsbereich des § 5 KSchG nicht nach § 85 Absatz 2 ZPO zugerechnet werden könne.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß §§ 5 Absatz 4 Satz 2 KSchG, 78 Satz 1 ArbGG, 567 Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde, über die der Vorsitzende der Beschwerdekammer, nachdem das Arbeitsgericht im Wege der Kammerentscheidung mit Beschluß vom 02.05.2002 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen hat (§§ 572 Absatz 1, 128 Absatz 4 ZPO, 53 Absatz 1 Satz 1 ArbGG, 5 Absatz 4 Satz 1 KSchG), nach § 78 Satz 3 ArbGG ohne mündliche Verhandlung allein entscheiden kann, ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 569 ZPO, 78 Satz 1 ArbGG). Die somit zulässige sofortige Beschwerde ist jedoch in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Antrag des Klägers vom 25.01.2002 zurückgewiesen. Entgegen seiner Ansicht ist dem Kläger das vom Arbeitsgericht zutreffend angenommene Organisationsverschulden seines Prozeßbevollmächtigten nach § 85 Absatz 2 ZPO zuzurechnen.

A

Zunächst kann dahingestellt bleiben, ob das Arbeitsgericht im Rahmen des nunmehr zwingend vorgeschriebenen Überprüfungsverfahrens nach § 572 Absatz 1 ZPO über die Nichtabhilfe der sofortigen Beschwerde mit Beschluß vom 02.05.2002 in derselben Besetzung hätte entscheiden müssen. Ungeachtet dieser Rechtsfrage ist die sofortige Beschwerde der Beschwerdekammer zur Sachentscheidung angefallen, weil Geg...

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