Entscheidungsstichwort (Thema)

Abbruch einer Betriebsratswahl durch einstweilige Verfügung. Prüfungsmaßstab. Nichtigkeit einer Betriebsratswahl. Betriebsratsgröße. Arbeitgeberzuschuss zu Sozialversicherungsbeiträgen. Anpassung eines Altvertrags. Widerruf

 

Leitsatz (amtlich)

Der Abbruch der weiteren Durchführung einer laufenden Betriebsratswahl im Wege der einstweiligen Verfügung setzt voraus, dass für das Gericht zuverlässig feststellbar ist, dass die vorgesehene Wahl nichtig sein wird.

 

Normenkette

ArbGG § 85 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940; BetrVG § 19

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Beschluss vom 05.03.2010; Aktenzeichen 16 BVGa 19/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Arbeitgeberin und des Wahlvorstands wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 05.03.2010 – 16 BVGa 19/10 – abgeändert.

Die Anträge werden zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die antragstellende Gewerkschaft erstrebt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der eine für den 10.03.2010 anberaumte Betriebsratswahl abgebrochen und der Wahlvorstand zur innerbetrieblichen Bekanntmachung des Abbruchs verpflichtet werden soll. Die Wahl leidet aus ihrer Sicht an einem gravierenden Fehler, weil eine größere Gruppe von Arbeitnehmern zu Unrecht als leitende Angestellte eingeordnet und von der Wahl ausgeschlossen worden sei, gleichzeitig aber die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder so hoch bemessen sei, dass dies nur bei Einbeziehung dieser Gruppe zu rechtfertigen sei.

Die zu 3 beteiligte Arbeitgeberin (künftig: Arbeitgeberin) ist im Automobilbau tätig. Für ihren Betrieb „Zentrale S.” (künftig: Wahlbetrieb) ist derzeit ein 39-köpfiger Betriebsrat gebildet. Dessen Amtszeit endet in der zweiten Hälfte des Monats März 2010. Zur Durchführung der Wahl eines neuen Betriebsrats in Rahmen der regelmäßigen Betriebsratswahlen wurde der zu 2 beteiligte Wahlvorstand (künftig: Wahlvorstand) bestellt. Er legte im Wahlausschreiben vom 20.01.2010 den Wahltag auf den 10.03.2010 und die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder auf 39 fest. Bei der Arbeitgeberin existieren für die Führungskräfte unterhalb des Vorstands die im Rang absteigenden Hierarchieebenen C, E 1, E 2 und E 3. Die Arbeitnehmer dieser Ebenen bezog der Wahlvorstand mit Ausnahme dreier Arbeitnehmer der Ebene E 3 nicht in den Kreis der aktiv und/oder passiv wahlberechtigten Arbeitnehmer ein. Übereinstimmend mit den Rechtsauffassungen des Betriebsrats und der Arbeitgeberin hält der Wahlvorstand die nicht einbezogenen Arbeitnehmer für leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG. Die antragstellende Gewerkschaft, die im Betrieb vertreten ist, hatte demgegenüber im Herbst 2009 dem Vorstand der Arbeitgeberin sowie dem amtierenden Betriebsrat mitgeteilt, eine derartige Statuszuordnung folge nicht den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere weil die Betriebspartner die Angestellten der Ebenen E 2 und E 3 pauschal den leitenden Angestellten zuordneten und sich dabei auf der Basis einer rechtswidrigen Regelungsabrede nur an der Ebene orientierten.

Bei der von der antragstellenden Gewerkschaft beanstandeten Regelungsabrede handelt es sich um die „Absprache zum Personenkreis der leitenden Angestellten” vom 19.12.2001 zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat. Darin heißt es unter anderem:

  1. Die Betriebsparteien sind sich nunmehr darüber einig, dass die Mitarbeiter, deren Stelle/Funktion als der Führungsebene 3 zugehörig bewertet wurden, aufgrund ihrer Tätigkeit und ihrer Befugnisse die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 BetrVG erfüllen und dem Personenkreis der leitenden Angestellten zuzuordnen sind. Mitarbeiter, die vor dieser Absprache bereits dem Personenkreis der leitenden Angestellten zugeordnet waren, bleiben in ihrem Status unverändert.
  2. Die Zuordnung zum Personenkreis der leitenden Angestellten erfolgt in Abstimmung mit den betroffenen Mitarbeitern. Das Recht des Betriebsrates, die Zuordnung zum Personenkreis der leitenden Angestellten im Einzelfall gerichtlich überprüfen zu lassen, wird durch diese Absprache nicht berührt. Auch die betroffenen Mitarbeiter können ihrer Zuordnung zum Personenkreis der leitenden Angestellten widersprechen, mit der Folge, dass die Zuordnung unterbleibt. Sie werden auf die Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen.
  3. Zur Sicherstellung der Rechte des Betriebsrates einigen sich die Betriebsparteien auf folgende Vorgehensweise:

    Das Stellenausschreibungsverfahren für zu besetzende Stellen auf der Ebene 3 erfolgt gemäss der Gesamtbetriebsvereinbarung über Auswahl und Verfahren in personellen Angelegenheiten (Auswahlrichtlinie), es sei denn, dass gemäss Ziffer 2.3 Auswahlrichtlinie darauf verzichtet wurde.

    Die Anhörungsverfahren gemäss §§ 99 und 102 BetrVG sind bei Einstellungen, Versetzungen bzw. Kündigungen, die diesen Mitarbeiterkreis betreffen, durchzuführen. Ausgenommen von der Ausschreibungs- und Anhörungspflicht sind zu besetzende Stellen auf der Ebene 3 des Personalbereichs (PZ, PAP und EMD). Bei diesem Personenkreis erfolgt die gesetzliche Information gem. § 105 BetrVG.

    Sollte in eine...

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