Leitsatz

Einer Schadensersatzklage des Mieters gegen den Vermieter auf Wiedereinräumung der Besitz- und Mieterrechte an der ehemaligen Wohnung, die der Mieter nach einer Eigenbedarfskündigung des Vermieters geräumt hat, kann nach Veräußerung der Wohnung durch den Vermieter nicht stattgegeben werden, ohne dass geklärt wird, ob dem Vermieter die Wiedereinräumung dieser Rechte noch möglich ist.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB §§ 249, 251, 573

 

Kommentar

Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis über eine 200 qm große Wohnung zu einer Monatsmiete von 1.153 EUR. Die Vermieter haben das Mietverhältnis zum Ablauf des Januar 2006 wegen Eigenbedarfs gekündigt. Die Mieter haben eine ca. 140 qm große Ersatzwohnung zu einer Monatsmiete von 1.670 EUR angemietet; im Oktober 2006 haben sie die Mietsache geräumt und an die Vermieter zurückgegeben.

Diese haben die Wohnung im Januar 2007 zum Verkauf angeboten. Im Juni 2007 hat das Gericht auf Antrag der Mieter eine einstweilige Verfügung erlassen, durch die den Vermietern untersagt wurde, die Wohnung zu vermieten oder zu verkaufen. Sodann haben sie Klage auf Schadensersatz erhoben. Damit machen die Mieter geltend:

1. einen Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes auf der Basis der ursprünglichen Miete;

2. Ersatz der Maklerkosten für die Vermittlung der Ersatzwohnung;

3. Ersatz der Differenz zwischen der ursprünglichen und der für die Ersatzwohnung gezahlten Miete.

Nach Zustellung der Klageschrift haben die Vermieter die Wohnung zum Preis von 830.000 EUR verkauft. Der Erwerber wurde ins Grundbuch eingetragen. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Verurteilung wegen der unter Ziff. 2 und 3 bezeichneten Ansprüche wird vom BGH nicht beanstandet. Problematisch ist jedoch, ob der Veräußerer einer Wohnung im Wege der Schadensersatzklage zur Wiedereinräumung des Mietbesitzes verurteilt werden kann, wenn unklar ist, ob der Erwerber zur Besitzüberlassung bereit ist.

1 Mieterbesitz bei Grundbucheintrag

Es kommt zunächst darauf an, ob die Mietsache im Zeitpunkt der Veräußerung (maßgeblich: die Eintragung des Erwerbers ins Grundbuch) noch im Besitz des Mieters war. Hier tritt der Erwerber gem. § 566 BGB in das Mietverhältnis ein. Für diesen Fall bestimmt § 325 Abs. 1 ZPO, dass ein gegen den Veräußerer ergehendes rechtskräftiges Urteil gegen diejenigen Personen wirkt, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage (d. h. nach der Zustellung der Klageschrift an den Veräußerer) Rechtsnachfolger des Klägers im Mietverhältnis werden. Wird der Veräußerer zur Wiedereinräumung des Besitzes verurteilt, so trifft dieselbe Verpflichtung den Erwerber.

Hatte der Mieter dagegen den Besitz vor der Veräußerung bereits aufgegeben, ist § 566 BGB unanwendbar, weil diese Vorschrift voraussetzt, dass der Wohnraum "nach der Überlassung an den Mieter" veräußert wird. Eine Rechtsnachfolge im Mietverhältnis tritt nicht ein; deshalb wirkt das Urteil auch nicht gegen den Erwerber. So lagen die Dinge hier: Die Mieter sind im Oktober 2006 ausgezogen; die Vermieter haben die Wohnung leer stehend verkauft.

2 Naturalrestitution oder Geldersatz

Wird ein Mietverhältnis wegen eines Eigenbedarfs gekündigt, der in Wirklichkeit nicht besteht, hat der Mieter gem. § 280 Abs. 1 BGB Anspruch auf Schadensersatz, wenn die Kündigung schuldhaft, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig ausgesprochen wird. Grundsätzlich hat der Vermieter denjenigen Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB; sog. Naturalrestitution). Der Mieter kann also verlangen, dass ihm die Wohnung wieder überlassen wird. Ist dies ausnahmsweise nicht möglich, hat der Vermieter den Mieter "in Geld zu entschädigen" (§ 251 Abs. 1 BGB).

Den Ausnahmefall hat der Vermieter darzulegen. Ist die Unmöglichkeit der Naturalrestitution streitig, muss das Gericht hierüber Beweis erheben. Beweispflichtig ist der Vermieter.

Da dieser Punkt noch nicht geklärt war, hat der BGH das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen.

Anmerkung

Durch eine vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung wird das Mietverhältnis nicht beendet. Der Mieter hat deshalb gegen den Vermieter nicht nur einen Schadensersatzanspruch, sondern auch einen aus § 535 Abs. 1 BGB folgenden Erfüllungsanspruch. Der Vermieter kann die Erfüllung nach § 275 Abs. 1 BGB im Fall der Unmöglichkeit allerdings verweigern.

Zu § 275 Abs. 1 BGB a. F. wurde die Ansicht vertreten, dass die Unmöglichkeit nur dann zum Ausschluss der Leistungspflicht führt, wenn diese vom Schuldner nicht zu vertreten ist. Seit der Neufassung der Vorschrift durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist jedoch fraglich, ob es weiterhin auf dieses Kriterium ankommt. Dies wird überwiegend verneint (Palandt/Grüneberg, § 275 BGB Rdn. 5; Unberath in: Bamberger/Roth, § 275 Rdn. 51; Schur, NJW 2002, S. 2518). Nach dieser Ansicht ist also auch nach § 275 Abs. 1 BGB eine Beweiserhebung erforderlich, wenn die Unmöglichkeit streitig ist.

Der BGH hat zu diese...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge