Unter der "Ziehfrist" ist die Zeitspanne zu verstehen, die dem Mieter zu gewähren ist, damit er im Anschluss an eine außerordentliche fristlose Kündigung seiner Räumungspflicht nachkommen kann. Zwar beendet die außerordentliche fristlose Kündigung das Mietverhältnis mit Zugang beim Mieter.[1] Diesem ist jedoch eine Räumungsfrist zu bewilligen, da er schlechterdings nicht in der Lage ist, nach Lektüre des Kündigungsschreibens unmittelbar und sofort das Mietobjekt zu räumen. In der Gewährung der Räumungsfrist liegt dann eine Stundung des Herausgabeanspruchs.

Obwohl der Mieter in aller Regel bereits durch eine vorherige Abmahnung "gewarnt" und somit bei einem neuerlichen Pflichtverstoß mit dem sofortigen Verlust der Mieträume rechnen muss, stellt die Gewährung einer Ziehfrist für den Vermieter stets den sichersten Weg dar. Die Ziehfrist muss mindestens eine Woche betragen.[2] Vereinzelt sind Gerichte auch großzügiger und halten eine Ziehfrist von 2 Wochen für erforderlich.[3] Hat der Mieter das Mietobjekt dann immer noch nicht freiwillig geräumt, kann Räumungsklage gegen ihn erhoben werden. Den sichersten Weg beschreitet der Vermieter mit der Gewährung einer Ziehfrist, weil er durch diese u. U. unliebsame Überraschungen vermeidet, wie das nachfolgende Beispiel verdeutlicht.

 
Praxis-Beispiel

Die überstürzte Räumungsklage

Der Mieter ist auch mit der Zahlung der zweiten Kautionsrate in Verzug. Der Vermieter kündigt das Mietverhältnis nach der Bestimmung des § 569 Abs. 2a BGB außerordentlich fristlos. Gleichzeitig beauftragt er seinen Anwalt, eine Räumungsklage einzureichen. Diese geht bei Gericht am nächsten Tag ein. Just an diesem Tag findet der Vermieter die Schlüssel zum Mietobjekt mit einem Zettel, auf dem der Mieter mitteilt, das Objekt geräumt zu haben.

Durch den Auszug des Mieters hat sich die Räumungsklage in der Hauptsache erledigt. Da die Rechtsprechung davon ausgeht, dass der Mieter dem Vermieter für die Erhebung einer Räumungsklage keine Veranlassung gegeben hätte, wäre ihm die Ziehfrist gewährt worden, hat der Vermieter die Kosten des Gerichtsverfahrens zu tragen. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung einer Räumungsklage ist über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden.

 

Mieterversprechen hat keine Bedeutung

Ein vom Mieter vorgerichtlich gegebenes Versprechen, das Mietobjekt bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in den nächsten 3 Monaten zu räumen, hat keine Bedeutung. Der Vermieter, der nach einer fristlosen Kündigung die Räumung verlangen kann, muss nicht auf eine gegebene Räumungszusage vertrauen, sondern ist berechtigt, sofort Klage zu erheben[4] – selbstverständlich erst nach Gewährung einer "Ziehfrist".

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