Ist dem Mieter eine Pflichtverletzung zum Vorwurf zu machen, die den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt, kann der Vermieter nach Kenntnisnahme des Grundes, der ihn zur Kündigung berechtigt, nicht ewig zuwarten, bis er die Kündigung tatsächlich erklärt. Die mietrechtlichen Bestimmungen des BGB schweigen sich allerdings darüber aus, innerhalb welcher Frist der Vermieter zu reagieren hat.

  • Die Bestimmung des § 314 Abs. 3 BGB, die ohnehin wenig konkret regelt, dass der Berechtigte nur innerhalb "angemessener Frist" kündigen kann, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat, ist auf die fristlose Kündigung von Wohnraummietverhältnissen nicht anwendbar.[1]
  • Konkreter ist zwar die Bestimmung des § 626 Abs. 2 BGB: Hiernach kann die Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen erfolgen, nachdem der Kündigungsberechtigte von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt, der zur Kündigung berechtigt. Die Bestimmung regelt jedoch die außerordentliche Kündigung von Dienst- und Arbeitsverhältnissen und ist für den Bereich des Mietrechts nicht maßgeblich.[2]

Im Bereich des Mietrechts sind wie so oft die Maßgaben des konkreten Einzelfalls entscheidend.

 
Praxis-Beispiel

Verzug im April, Kündigung im November

Die Mieterin hat im Februar und im April keine Miete gezahlt. Der Vermieter hat sie im August zur Zahlung aufgefordert. Die Mieterin entschuldigt sich und sagt Zahlung zu. Eine solche erfolgt aber nicht. Der Vermieter kündigt außerordentlich fristlos im November.

Die Kündigung ist wirksam[3] Der Umstand, dass der Vermieter nicht sogleich im April oder Mai gekündigt hat, ist unschädlich. Für ein Vertrauen der Mieterin, der Vermieter werde den Mietrückstand hinnehmen und auch bei einem weiteren Anstieg des Rückstands von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen, gibt es in dieser Situation keine Grundlage. Dass der Vermieter einen sich aufbauenden Mietrückstand nicht sofort zum Anlass einer fristlosen Kündigung nimmt, ändert daran nichts und lässt eine ohne Abmahnung erfolgte Kündigung nicht als treuwidrig erscheinen. Wie das Beispiel und weitere zu dieser Problematik ergangene Entscheidungen zeigen, wird die Frage, wie lange der Vermieter mit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung zuwarten kann, insbesondere im Fall des Verzugs mit Mietzahlungen relevant – zumindest in allen Fällen, in denen der Kündigung keine Abmahnung vorausgehen muss.

  • Für Kündigungen wegen Zahlungsverzugs wird man stets eine "Frist" von einem halben Jahr tolerieren können.[4]
  • Dies gilt auch für die Kündigung wegen Nichtzahlens der Kaution.[5] Wartet der Vermieter allerdings ab Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund, etwa der Nichtzahlung der Kaution 10 Monate bis zur Erklärung der außerordentlichen fristlosen Kündigung ab, kommen weder die außerordentliche fristlose Kündigung noch eine ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Betracht, weil es an der notwendigen Erheblichkeit der Pflichtverletzung fehlt, die ein berechtigtes Interesse begründen könnte.[6]
  • In den Fällen sonstiger schwerwiegender Pflichtverletzungen wie groben Beleidigungen oder Tätlichkeiten sollte allerdings eine maximale Obergrenze von 3 Monaten nicht überschritten werden. Einschlägige Rechtsprechung existiert hier allerdings vor dem Hintergrund nicht, als Vermieter auf derartige Pflichtverstöße in aller Regel umgehend mit der außerordentlichen fristlosen Kündigung reagieren.
  • Unzweifelhaft können Jahre zurückliegende Vertragsverstöße keine fristlose Kündigung rechtfertigen.[7] Entsprechendes gilt, wenn der Vermieter ihm bekannte eigenmächtige bauliche Veränderungen der Mietsache durch den Mieter über einen Zeitraum von 4 Jahren duldet.[8]
[3] BGH, Urteil v. 13.7.2016, VIII ZR 296/15, NJW 2016, 3720; BGH, Urteil v. 11.3.2009, VIII ZR 115/08, NZM 2009, 314.
[6] AG Bad Segeberg, Urteil v. 19.12.2013, 17a C 129/13.
[7] AG Hamburg-Blankenese, Urteil v. 20.11.2012, 532 C 259/12, ZMR 2013, 360.
[8] LG Lüneburg, Urteil v. 14.11.2012, 6 S 80/12, ZMR 2013, 804.

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