Liegen die nachfolgenden Voraussetzungen vor, kann ein Wohnraummietverhältnis auch durch Anfechtung beendet werden.[1] Die Anfechtung des Mietvertrags kommt in erster Linie dann in Betracht, wenn der Mieter den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags arglistig getäuscht hat.

Eine arglistige Täuschung liegt insbesondere dann vor,

  • wenn der Mieter auf eine zulässige Frage im Rahmen der Mieterselbstauskunft gelogen hat oder
  • wenn der Mieter den Vermieter nicht von sich aus über wesentliche Umstände, die für den Vermieter ausschlaggebend für den Vertragsschluss sind, ungefragt hingewiesen hat.

Erklärt der Vermieter die Anfechtung, führt diese zur Nichtigkeit des Vertrags von Anfang an.[2] Unerheblich ist dabei, ob dem Mieter das Mietobjekt bereits überlassen wurde oder noch nicht.[3]

Grundsätzlich hat der Vermieter neben dem Recht zur Anfechtung in den geschilderten Fällen auch das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung. Welcher Weg der günstigere ist, wird der Vermieter – am besten nach Rücksprache mit seinem Anwalt – im konkreten Einzelfall zu prüfen haben. Die arglistige Täuschung eines von mehreren Mietern berechtigt den Vermieter zur Anfechtung des gesamten Vertrags. Die übrigen Mieter müssen sich das Verhalten des Täuschenden zurechnen lassen.[4]

[1] LG Konstanz, Urteil v. 15.12.2016, C 61 S 58/15, WuM 2017, 258.
[3] AG Hamburg-Sankt-Georg, Urteil v. 25.11.2010, 910 C 230/10, ZMR 2011, 303.

3.3.4.1 Wirkung

Die Anfechtung führt zur rückwirkenden Nichtigkeit des Mietvertrags, die Kündigung beendet das Mietverhältnis für die Zukunft. Für den vor die Wahl gestellten Vermieter stellt sich hier natürlich die Frage, welche Rechtsausübung im Einzelfall vorteilhafter für ihn ist. Wie beim grundsätzlichen Recht zur Kündigung bzw. Anfechtung kommt es hier auch stets auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an. Da die Anfechtung zur Nichtigkeit des Mietvertrags von Anfang an führt, ist faktisch vom Nichtbestehen eines Mietvertrags auszugehen. Für den Vermieter bedeutet das, dass der Mieter die Mieträume genutzt hat und entsprechend zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung bzw. des Gegenwerts für die Gebrauchsüberlassung verpflichtet ist. Die im Mietvertrag vereinbarte Miethöhe ist hier allerdings nicht maßgeblich. Maßgeblich ist vielmehr die ortsübliche Vergleichsmiete. Wenn die im Mietvertrag vereinbarte Miethöhe unter der ortsüblichen Vergleichs-/Marktmiete liegt, könnte es für den Vermieter profitabel sein, den Weg der Anfechtung zu beschreiten. Ist andererseits im Mietvertrag eine höhere als die ortsübliche Miete vereinbart, wird es für den Vermieter schwierig werden, die im Mietvertrag vereinbarte Miete durchzusetzen.

Da die Anfechtung zur Folge hat, dass der Mietvertrag als von Anfang an nichtig anzusehen ist, wäre im Fall der Anfechtungserklärung auch eine Vereinbarung über die Leistung einer Mietsicherheit hinfällig. Erklärt der Vermieter die Anfechtung des Mietvertrags, vernichtet er gleichzeitig die Kautionsabrede. Konsequenz: Der Mieter hat einen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB. Freilich kann der Vermieter gegen entsprechende Mieteransprüche mit etwaigen Gegenforderungen – etwa wegen einer Verschlechterung der Mieträume – aufrechnen.

 

Tipp: Hilfsweise auch Kündigung erklären

Will der Vermieter den Weg der Anfechtung beschreiten, sollte er zusätzlich hilfsweise die außerordentliche Kündigung erklären und äußerst hilfsweise auch die ordentliche fristgemäße Kündigung des Mietverhältnisses.

3.3.4.2 Form

Im Gegensatz zur Kündigung des Wohnraummietverhältnisses bedarf die Anfechtung eines Wohnraummietvertrags keiner Form. Gleichwohl ist bereits zu Beweiszwecken die schriftliche Anfechtungserklärung dringend zu empfehlen. Da daneben auch dringend zur hilfsweisen außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses zu raten ist, muss die Schriftform ohnehin eingehalten werden, soll die außerordentliche oder äußerst hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung nicht unwirksam sein. Auch wenn nicht definitiv geklärt ist, ob in der Anfechtungserklärung die Gründe, die zur Anfechtung des Mietvertrags führen, benannt werden müssen, sollte die Anfechtungserklärung bereits im Hinblick auf die hilfsweise ausgesprochenen Kündigungen begründet werden.

3.3.4.3 Frist

Nach der Bestimmung des § 124 BGB kann der Vermieter innerhalb eines Jahres seit Kenntnisnahme des zur Anfechtung berechtigenden Sachverhalts den Mietvertrag anfechten.

 
Praxis-Beispiel

Berechnung der Anfechtungsfrist

Das Mietverhältnis wurde im September 2022 begründet. Am 15.7.2023 erfährt der Vermieter, dass über das Vermögen des Mieters im Februar 2022 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Vermieter kann die Anfechtung des Mietvertrags bis zum Ablauf des 15.7.2024 erklären.

Für die Fristwahrung ist der Zugang der Anfechtungserklärung beim Mieter maßgeblich. Ist die vorgenannte Frist zur Erklärung der Anfechtung verstrichen, kommt eine Anf...

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