Leitsatz

Die Parteien stritten sich im Rahmen eines Unterhaltsprozesses um die Frage, ob die Kindergartenkosten bei Zahlung des Mindestunterhalts in Höhe von 100 % des Regelbetrages im Tabellenbetrag der Düsseldorfer Tabelle enthalten sind oder Unterhaltsmehrbedarf des Kindes darstellen.

 

Sachverhalt

Der Beklagte ist der nichteheliche Vater der am 21.8.2001 geborenen Klägerin. Er ist verheiratet und hat noch drei eheliche Kinder.

Mit Jugendamtsurkunde vom 19.9.2001 hat er sich verpflichtet, der Klägerin ab Geburt Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages nach der Regelbetragsverordnung zu zahlen. In der Folgezeit hat er mehrfach versucht, im Hinblick auf die von ihm behauptete eingeschränkte Leistungsfähigkeit eine Herabsetzung des Unterhalts zu erreichen. Diese Versuche blieben ohne Erfolg.

Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin den Beklagten auf Zahlung der durch die ganztägige Betreuung im Kindergarten bedingten Kosten in Anspruch genommen und die Auffassung vertreten, dass Kindergartenkosten in dem Mindestunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages nicht im Tabellenbetrag enthalten seien. Sie hat ferner darauf hingewiesen, dass eine nichteheliche Mutter wegen der zeitlichen Befristung des Unterhaltsanspruchs nach § 1615l BGB die Kindergartenkosten gegenüber dem Vater des Kindes - anders als eine Ehefrau in vergleichbarer Lage - nicht als berufsbedingte Aufwendungen geltend machen könne.

Der Vater hat die Auffassung vertreten, die durch den Besuch eines Kindergartens entstehenden Kosten seien in den Unterhaltstabellen enthalten. Es könne allenfalls der Beitrag für einen Halbtagesplatz als zusätzlicher Bedarf angesetzt werden.

Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage auf Zahlung der Kindergartenkosten abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die im Ergebnis ohne Erfolg blieb.

 

Entscheidung

Das OLG kam zu dem Ergebnis, der Kindergartenbeitrag stelle keinen von dem Beklagten zu tragenden Mehrbedarf dar. Der halbtägige Besuch des Kindergartens sei heute die Regel. Bei dem hierfür zu entrichtenden Beitrag handele es sich um Kosten, die üblicherweise bei Kindern ab dem 3. Lebensjahr anfallen und in den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle enthalten sind.

Dies gelte jedenfalls für den Tabellenbetrag der Gruppe 6, bei dem das Existenzminimum des Kindes als gesichert anzusehen sei. An dieser bereits in der Entscheidung vom 27.10.2003 (OLG Nürnberg v. 27.10.2003 - 10 UF 2204/03 = FamRZ 2004, 1063) halte das OLG fest.

Dies gelte auch bei einer Einstufung in die niedrigeren Gruppen der Düsseldorfer Tabelle, da das Kind wegen des Kindergeldanteils gem. § 1612 Abs. 5 BGB faktisch über den gleichen Betrag verfügen könne wie in Gruppe 6.

Bei einem ganztägigen Besuch des Kindergartens könnten sich die über dem "üblichen" Kindergartenbeitrag hinausgehenden Kosten zwar als Mehrbedarf des Kindes darstellen. Dies sei allerdings nur dann der Fall, wenn besondere in der Person des Kindes liegende pädagogische Gründe vorliegen, die hier nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich seien.

Der ganztägige Kindergartenbesuch der Klägerin sei primär im Interesse ihrer Mutter, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Die Kosten für den Ganztagskindergarten stellen sich daher bei ihr als Erwerbsaufwand dar, die als berufsbedingte Aufwendungen bei der Ermittlung ihres Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen wären, sofern sie einen solchen hätte. Wegen der zeitlichen Befristung des Unterhaltsanspruchs der nichtehelichen Mutter nach § 1615l BGB komme ein Anspruch auf Unterhalt für sie nicht in Betracht. Die hieraus resultierende faktische Ungleichbehandlung gegenüber einer ehelichen Mutter, die Trennungsunterhalt bzw. nachehelichen Unterhalt verlangen kann, rechtfertigt es nach Auffassung des OLG aus dogmatischen Gründen nicht, Aufwendungen der Mutter, die sie in Ermangelung eines Unterhaltsrechtsverhältnisses nicht geltend machen kann, als Mehrbedarf des Kindes zu deklarieren. Es sei hier vielmehr Sache des Gesetzgebers, eine Verbesserung für die nichteheliche Mutter im Rahmen der (geplanten) Änderung des § 1615l BGB herbeizuführen.

 

Hinweis

Die vom OLG Nürnberg in dieser Entscheidung vertretene Auffassung ist nicht unumstritten. Teilweise wird in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass Kindergartenkosten überwiegend aus pädagogischen Gründen entstehen, in den unteren Gruppen der Düsseldorfer Tabelle nicht in den Tabellensätzen enthalten sind und damit Mehrbedarf darstellen (vgl. OLG München, OLGR, 154; OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 884; OLG Celle, FamRZ 2003, 323).

 

Link zur Entscheidung

OLG Nürnberg, Urteil vom 29.08.2005, 10 UF 395/05

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