1 Leitsatz

Hat der Anfechtungskläger die Anfechtungsklage fristgerecht eingereicht und den Vorschuss gezahlt, besteht keine weitere Obliegenheit zur Kontrolle der gerichtlichen Verfahrensweise, sodass eine Klage auch dann noch "demnächst" i. S. v. § 167 ZPO zugestellt wird, wenn die Zustellung aus Gründen, die allein in der Sphäre des Gerichtes liegen, erst knapp 6 Monate nach Vorschusszahlung erfolgt.

2 Normenkette

§ 45 WEG; § 167 ZPO

3 Das Problem

Die Anfechtungsklage von Wohnungseigentümer K geht am 19. Dezember bei Gericht ein. Am 30. Dezember wird die Gebühr im Allgemeinen (§ 12 GKG) aus einem Streitwert von 49.970 EUR angefordert, die am 15. Januar eingeht. Die Klagebegründung geht am 20. Januar ein. Die Akte wird dem Richter versehentlich allerdings erst am 8. Juli vorgelegt, nachdem eine Sachstandsanfrage des Klägervertreters eingeht. Das AG meint, die Anfechtungsfrist sei nicht gewahrt, da die Voraussetzungen des § 167 ZPO nicht gegeben seien. K müsse sich zurechnen lassen, es fast 6 Monate lang hingenommen zu haben, dass das Gericht trotz Einzahlung der Gebühr im Allgemeinen keine verfahrensleitenden Maßnahmen ergriffen habe. Hiergegen richtet sich die Berufung.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! K habe die Anfechtungsfrist gewahrt. Die Klage sei noch demnächst i. S. v. § 167 ZPO zugestellt worden. K sei nicht der Vorwurf einer nachlässigen Prozessführung zu machen, weil er erst nach fast 6 Monaten bei Gericht nach dem Sachstand gefragt habe. Ein Kläger sei grundsätzlich nicht gehalten, das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und durch Nachfragen auf die beschleunigte Zustellung hinzuwirken, wenn er alle von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen für eine ordnungsgemäße Klagezustellung erbracht und insbesondere die Gebühr im Allgemeinen eingezahlt habe (Hinweis u. a. auf BGH, Urteil v. 25.2.2021, IX ZR 156/19). Zwar könne in Anknüpfung an § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB eine Nachfrageobliegenheit bestehen, wenn über einen Zeitraum von 6 Monaten nach der letzten Handlung des Klägers eine Zustellung nicht veranlasst worden sei. Diese zeitliche Grenze habe K aber gewahrt.

5 Hinweis

  1. Soll durch die Zustellung die Klagefrist gewahrt werden, tritt diese Wirkung nach § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein – wenn die Zustellung "demnächst" erfolgt. Und auch die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen (§ 12 GKG) braucht die klagende Partei (selbst ein Rechtsanwalt) grundsätzlich nicht selbst zu berechnen und einzuzahlen (siehe nur BGH, Beschluss v. 2.5.2017, VI ZR 85/16). Dies gilt aber nur zunächst! Denn nach ständiger Rechtsprechung soll sich die klagende Partei bei dem Gericht nach den Ursachen erkundigen müssen, wenn sie nicht aufgefordert wird, die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen einzuzahlen (siehe nur BGH, Urteil v. 25.9.2015, V ZR 203/14). Unklar ist freilich, wann dieser Zeitpunkt des Nachfragens gekommen ist. Hier ein Kurzüberblick – auch zum Schmunzeln und Staunen:

    Nach diesem "Check" liegt es nahe, sich grundsätzlich bereits 4 Wochen nach Einreichung der Klage bei Gericht zu erkundigen, wo die Aufforderung zur Einzahlung der Gebühr im Allgemeinen bleibt.

  2. Im Fall hatte K allerdings die Gebühr rechtzeitig gezahlt. Mehr war nicht zu tun. Denn ein Wohnungseigentümer muss das Gericht nicht "zum Jagen tragen". Hat er alles getan, hat er vor allem die Gebühr im Allgemeinen eingezahlt, muss er nichts mehr unternehmen. Ist – wie im Fall – eine Zustellungsverzögerung vom Gericht zu vertreten und hat sie ihre Ursache allein im Bereich des Gerichts, ist die Länge der Verzögerung für die Frage einer demnächstigen Zustellung völlig unbeachtlich (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 45 Rn. 10). Die Überlegung der Kammer, es könne nach 6 Monaten eine Nachfrageobliegenheit bestehen, trägt daher nicht (vgl. BGH, Urteil v. 12.7.2006, IV ZR 23/05, Rn. 23: "Bei der Frage, ob eine Klagezustellung ‚demnäc...

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