Leitsatz (amtlich)

Konkretisiert der Berufungskläger bei einer Teilklage mit mehreren Einzelforderungen auf einen Hinweis des Berufungsgerichts nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO seinen ursprünglich unbestimmten Klageantrag ausreichend, verletzt es das Recht des Berufungsklägers auf rechtliches Gehör, wenn das Berufungsgericht diesen als Hilfsantrag wertet, ihn entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO für wirkungslos erachtet und die Berufung gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO wegen Unzulässigkeit der Klage mangels Bestimmtheit des ursprünglichen Antrags zurückweist (Anschluss an BGH, Beschl. v. 10.3.2016 - VII ZR 47/13, NJW 2016, 2508).

 

Normenkette

ZPO § 544 Abs. 7, § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 522 Abs. 2, § 524 Abs. 4

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Beschluss vom 25.11.2015; Aktenzeichen 21 U 108/14)

LG Berlin (Entscheidung vom 28.04.2014; Aktenzeichen 18 O 42/13)

 

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 21. Zivilsenats des KG vom 25.11.2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der klagende Rechtsanwalt nimmt die Beklagten aus abgetretenem Recht wegen eines Wasserschadens in Büroräumen auf Ersatz materiellen Schadens in Anspruch.

Rz. 2

Der Kläger hat erstinstanzlich die Feststellung begehrt, dass die Beklagten, die in der Etage über den Büroräumen Sanierungsarbeiten veranlasst hatten, auf Schadensersatz hafteten, wobei er eine 69 Positionen umfassende Aufstellung 1 mit einer Gesamtschadenssumme von 64.768,70 EUR eingereicht hat. Deren auf 50.140 EUR lautende Position 56 hat er durch eine weitere Aufstellung 2 detailliert. Der behauptete Schaden setzt sich u.a. aus beschädigtem Büroinventar, technischen Gerätschaften, Schreibwaren, der aufgewendeten Arbeitszeit für das Aufräumen, Umsatzausfall und Wiederbeschaffungskosten des Werbemittelarchivs zusammen.

Rz. 3

Das LG hat ein klagabweisendes Versäumnisurteil aufrechterhalten und ausgeführt, mangels Feststellungsinteresses bei möglicher Bezifferung sei die Feststellungsklage unzulässig, aber auch wegen Verjährung unbegründet. In der Berufungsinstanz hat der Kläger die Klage auf Zahlung von 25.000 EUR nebst Zinsen umgestellt und dazu ausgeführt, es handele sich nicht um die Geltendmachung eines erststelligen Teilbetrages, sondern um die abschließende Forderung. Da keine weiteren Forderungen erfolgen würden, sei eine Aufschlüsselung auf einzelne Positionen nicht erforderlich. Auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO, dass das nunmehrige Begehren unzulässig sei, hat der Kläger vorsorglich ausgeführt, die Klageforderung solle die in Aufstellung 1 und 2 der Klageschrift bezeichneten Schadenspositionen in der Reihenfolge der laufenden Nummern dieser Aufstellungen umfassen, und zwar solange, bis der Betrag von 25.000 EUR vollständig abgedeckt sei. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, mit der er seinen Zahlungsantrag weiterverfolgt.

II.

Rz. 4

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gem. § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

Rz. 5

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Klage sei im noch nicht konkretisierten Hauptantrag unzulässig, da sie den Streitgegenstand nicht in der erforderlichen Weise erkennen lasse. Das in der Konkretisierung liegende Hilfsbegehren könne keine Berücksichtigung finden, weil über einen erstmals in zweiter Instanz gestellten Hilfsantrag sachlich nicht zu entscheiden sei, wenn die Berufung gegen das den Hauptantrag abweisende Urteil gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werde. Nichts anderes gälte, so man die Voraussetzungen einer Klageänderung in zweiter Instanz (§ 533 ZPO) als gegeben ansähe. Zudem sei der Anspruch verjährt, da der in der Berufungsbegründung zunächst angekündigte neue Antrag unbestimmt und deshalb zunächst nicht verjährungshemmend gewesen und nicht innerhalb von sechs Monaten nach Zugang der Berufungsbegründung bestimmbar gemacht worden sei. Abgesehen davon sei dem Kläger auch nach Ablauf der sechs Monate keine zur Verjährungshemmung hinreichende Definition des Streitgegenstandes gelungen. Denn der Kläger, der jedenfalls für die Verjährungsfrage an seinen Prozesserklärungen festzuhalten sei, habe nicht erklärt, dass die Positionen 1 bis 55 und die Position 56 bis zum Schaden "Mic." voll und im Schaden "U." bis zu 453,68 EUR Gegenstand der Berufung sein sollten (so dass erststellig 25.000 EUR abgedeckt gewesen wären). Ausweislich der im Gesamtzusammenhang zu lesenden Erklärung sei Ziel seiner Teilklage weiterhin gewesen, aus dem Gesamtschaden im Ergebnis 25.000 EUR zu erlösen.

Rz. 6

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, indem es den erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Leistungsantrag nicht berücksichtigt hat.

Rz. 7

a) Bleiben Anträge einer Partei deswegen unberücksichtigt, weil der Tatrichter sie in offenkundig fehlerhafter Anwendung des Prozessrechts zu Unrecht für ausgeschlossen erachtet hat, so ist der Anspruch der Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Dies gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht einen auf seinen Hinweis erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Antrag zu Unrecht entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO für wirkungslos erachtet (BGH, Beschl. v. 10.3.2016 - VII ZR 47/13, NJW 2016, 2508 Rz. 9 ff. m.w.N.; vgl. Bub, NJW 2016, 2509 a.E.).

Rz. 8

Zwar verliert eine erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung, wenn das Berufungsgericht die den erstinstanzlichen Streitgegenstand betreffende Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist (BGH, Urt. v. 24.10.2013 - III ZR 403/12, BGHZ 198, 315 Rz. 19 ff.). Dasselbe gilt für eine erstmals in der Berufungsinstanz vorgenommene [quantitative] Klageerweiterung (BGH, Beschl. v. 6.11.2014 - IX ZR 204/13, NJW 2015, 251 Rz. 2 m.w.N.; Urt. v. 3.11.2016 - III ZR 84/15, NJW-RR 2017, 56 Rz. 14 ff.; OLG Nürnberg MDR 2007, 171 f.). Ob ein erstmals in der Berufungsinstanz gestellter Hilfsantrag in diesem Fall seine Wirkung verliert (dafür etwa KG NJW 2006, 3505; OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 2007, 465; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 522 Rz. 64; Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 522 Rz. 104; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 522 Rz. 37), kann dahinstehen.

Rz. 9

aa) Zweifel bestehen bereits, ob - und ggf. inwieweit - der Kläger mit seiner in Reaktion auf den Hinweisbeschluss erfolgten "vorsorglichen" Formulierung, die Klageforderung solle die in Aufstellung 1 und 2 der Klageschrift bezeichneten Schadenspositionen in der Reihenfolge der laufenden Nummern dieser Aufstellungen umfassen, und zwar solange, bis der Betrag von 25.000 EUR vollständig abgedeckt sei, überhaupt einen Hilfsantrag gestellt hat.

Rz. 10

Der ursprüngliche Antrag war zwar unbestimmt, weil der Kläger, der einen Teilbetrag aus mehreren selbständigen Ansprüchen geltend macht, gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO im Einzelnen angeben muss, wie er die geltend gemachte Gesamtsumme ziffernmäßig auf die verschiedenen Ansprüche verteilt wissen will, oder mindestens eine Reihenfolge angeben muss, in welcher die Ansprüche bis zu der von ihm geltend gemachten Gesamtsumme gefordert werden (BGH, Urt. v. 22.5.1984 - VI ZR 228/82, NJW 1984, 2346, 2347; v. 10.7.2012 - VI ZR 341/10, VersR 2012, 1261 Rz. 38, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 194, 26; BGH, Urt. v. 3.12.1953 - III ZR 66/52, BGHZ 11, 192, 194; v. 8.12.1989 - V ZR 174/88, NJW 1990, 2068, 2069). Eine vorsorgliche Konkretisierung eines zunächst unbestimmten Antrags dürfte aber - selbst wenn sie aus Rechtsgründen für nicht erforderlich erachtet wird - nicht als zusätzlicher Antrag anzusehen sein, sondern lediglich als rechtliche Konkretisierung des bereits anfangs gestellten Antrags. An einem Hilfsantrag würde es dann fehlen.

Rz. 11

bb) Selbst wenn man mit dem Berufungsgericht von einem Hilfsantrag ausginge, hätte das Berufungsgericht ihn jedenfalls in der Konstellation des Streitfalls nicht entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO für wirkungslos erachten dürfen. Stützt ein Berufungsgericht in einem Hinweis nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO seine Rechtsauffassung auf einen Gesichtspunkt, den der Berufungskläger erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, muss diesem Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die hierdurch veranlassten neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel dürfen nicht zurückgewiesen werden (BGH, Beschl. v. 1.10.2014 - VII ZR 28/13 VersR 2015, 1268 Rz. 11; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 522 Rz. 34). Dasselbe gilt für hierdurch veranlasste Antragsänderungen. Dementsprechend muss das Berufungsgericht, wenn es die Klage entgegen der Auffassung des Erstgerichts für unzulässig erachtet, den Kläger hierauf hinweisen (vgl. BGH, Beschl. v. 5.12.2012 - IV ZR 188/12, juris Rz. 11 m.w.N.; BAG NJW 2016, 2830 Rz. 16) und ihm Gelegenheit geben, auf einen solchen Hinweis in der Berufungsinstanz durch eine Antragsmodifizierung zu reagieren (vgl. BGH, Beschl. v. 23.4.2009 - IX ZR 95/06, NJW-RR 2010, 70 Rz. 5; v. 10.3.2016 - VII ZR 47/13, NJW 2016, 2508 Rz. 11; vgl. BGH v. 6.7.2007 - VI ZR 177/09, NJW-RR 2010, 1363). Nichts anderes gilt, wenn der Kläger die Klage in der Berufungsinstanz nach erstinstanzlicher Klageabweisung mit Blick auf den Abweisungsgrund umstellt. Auch in einer solchen Verfahrenskonstellation ist es dem Berufungsgericht verwehrt, die Berufung unter Übergehung des modifizierten Antrags gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.3.2016 - VII ZR 47/13, a.a.O.).

Rz. 12

b) Die Gehörsverletzung ist erheblich. Der angefochtene, drei Hilfsbegründungen enthaltende Beschluss beruht nicht auf weiteren selbständig tragenden Begründungen, für die jeweils ein Zulassungsgrund hätte dargelegt werden müssen (BGH, Beschl. v. 15.7.2014 - VI ZR 176/13, GesR 2014, 658, 659; BGH, Beschl. v. 2.10.2003 - V ZB 72/02, NJW 2004, 72, 73; v. 29.9.2005 - IX ZB 430/02, NJW-RR 2006, 142; Prütting in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 543 Rz. 52 a.E.; Krüger in MünchKomm/ZPO, 5. Aufl., § 543 Rz. 26).

Rz. 13

c) Die Hilfsbegründungen sind aber - worauf für das weitere Verfahren vorsorglich hinzuweisen ist - nicht geeignet, die Zurückweisung der Berufung zu tragen.

Rz. 14

aa) Die erste Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, nichts anderes gälte, so man die Voraussetzungen einer Klageänderung in zweiter Instanz (§ 533 ZPO) als gegeben ansähe, verletzt ebenfalls den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör. Zwar trifft es im Ansatz zu, dass eine in der Berufungsinstanz erfolgte Klageänderung einer Beschlusszurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht (grundsätzlich) entgegenstünde (Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 522 Rz. 64 m.w.N.; zur Klageerweiterung BGH, Urt. v. 3.11.2016 - III ZR 84/15, NJW-RR 2017, 56 Rz. 14; einschr. Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 522 Rz. 102). Der Übergang von einer Feststellungs- auf eine auf denselben Lebenssachverhalt gestützte Leistungsklage unterfällt jedoch § 264 Nr. 2 ZPO (BGH, Urt. v. 12.5.1992 - VI ZR 118/91, NJW 1992, 2296 m.w.N.; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 264 Rz. 3b; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 264 Rz. 3), bei dem § 533 ZPO aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit nicht zur Anwendung kommt (BGH, Urt. v. 19.3.2004 - V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 305 f.; v. 22.4.2010 - IX ZR 160/09, NJW-RR 2010, 1286 Rz. 6 m.w.N.). Ob wegen der darin liegenden qualitativen Klageerweiterung (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 264 Rz. 3b; Foerste, a.a.O., § 264 Rz. 3) eine entsprechende Anwendung des § 524 Abs. 4 ZPO grundsätzlich zulässig wäre, kann dahinstehen. Denn ein Zurückweisungsbeschluss setzt gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO voraus, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Da sich der Kläger im Streitfall mit seiner Berufung nicht gegen die auf das Fehlen des Feststellungsbedürfnisses gestützte erstinstanzliche Abweisung des Feststellungsantrages wendet, sondern nur noch den gem. § 525 ZPO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässigen Leistungsantrag stellt, kann die Aussichtslosigkeit der Berufung jedenfalls nicht darauf gestützt werden, dieser modifizierte Antrag sei nicht zu berücksichtigen.

Rz. 15

bb) Die zweite Hilfsbegründung, der Anspruch sei verjährt, erweist sich ebenfalls als rechtsfehlerhaft. Denn das Berufungsgericht ist zu Unrecht der Ansicht, die erstmals im Berufungsverfahren erfolgte Geltendmachung eines Teilbetrages aus mehreren Einzelforderungen hemme die Verjährung nicht, solange eine genaue Aufschlüsselung der Einzelforderungen unterbleibe. Werde sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Berufungsbegründung nachgeholt, beginne die Verjährung wieder zu laufen (§ 204 Abs. 2 BGB). Das Berufungsgericht stützt sich insoweit zwar auf ein zum Mahnverfahren ergangenes Urteil des XI. Senats v. 21.10.2008 - XI ZR 466/07, WM 2009, 420 Rz. 20 f. (zust. Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 204 Rz. 16 a.E.; ebenso für den Fall einer nicht hinreichend individualisierten Forderung, die zur Insolvenztabelle angemeldet wird, BGH, Urt. v. 21.2.2013 - IX ZR 92/12, ZIP 2013, 680 Rz. 30 f.). Der BGH hat aber klargestellt, dass diese beiden Urteile auf den Besonderheiten des Mahn- bzw. Insolvenzverfahrens beruhen und für das Klageverfahren - wie vor der Schuldrechtsmodernisierung (vgl. BGH, Urt. v. 22.5.1984 - VI ZR 228/82, NJW 1984, 2346, 2347) - weiterhin gilt, dass eine Aufschlüsselung im Laufe des Rechtsstreits - mit der Folge einer rückwirkenden Hemmung - möglich ist (BGH, Urt. v. 6.5.2014 - II ZR 217/13, NJW 2014, 3298 Rz. 14 ff. m.w.N.; v. 7.5.2015 - IX ZR 95/14, NJW 2015, 2113 Rz. 28 f.; vgl. bereits BGH v. 1.6.2010 - VI ZR 346/08, VersR 2010, 1324 Rz. 29).

Rz. 16

cc) Auch die dritte Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei selbst mit der "vorsorglichen" Formulierung, die Klageforderung solle die in Aufstellung 1 und 2 der Klageschrift bezeichneten Schadenspositionen in der Reihenfolge der laufenden Nummern dieser Aufstellungen umfassen, und zwar solange, bis der Betrag von 25.000 EUR vollständig abgedeckt sei, keine zur Verjährungshemmung hinreichende Definition des Streitgegenstandes gelungen, kann eine Berufungszurückweisung nicht rechtfertigen. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger mit seiner vorsorglichen Formulierung erklärt, dass die Positionen 1 bis 55 und die Position 56 bis zum Schaden "Mic." voll und im Schaden "U." bis zu 453,68 EUR - und falls erforderlich darüber hinaus - Gegenstand der Berufung sein sollen (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2012 - VI ZR 341/10, VersR 2012, 1061 Rz. 38, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 194, 26). Der so konkretisierte Antrag ist in Bezug auf die Verjährung (wie auch auf die Zulässigkeit) hinreichend bestimmt.

Rz. 17

d) Die Ansprüche dürften auch nicht - worauf ebenfalls vorsorglich hinzuweisen ist - mit der Begründung des LG als verjährt zurückgewiesen werden können. Das LG hat die Verjährung mit der Begründung bejaht, eine Rückwirkung der Zustellung gem. § 167 ZPO trete nicht ein, weil der Kläger den Gerichtskostenvorschuss erst 18 Tage nach Zugang der gerichtlichen Zahlungsaufforderung eingezahlt und zudem nicht proaktiv wegen der zunächst ausbleibenden Kostenvorschussanforderung nachgefragt habe. Die Berechnung des LG ist aber nicht frei von Rechtsfehlern. Das LG hat übersehen, dass nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 154/14, NJW 2015, 2666 Rz. 6 a.E.; v. 25.9.2015 - V ZR 203/14, NJW 2016, 568 Rz. 9; v. 26.2.2016 - V ZR 131/15, a.a.O., Rz. 12), bei der Berechnung der Zeitdauer der Verzögerung auf die Zeitspanne abzustellen ist, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert (BGH, Urt. v. 10.2.2011 - VII ZR 185/07, VersR 2012, 382 Rz. 8; v. 3.9.2015 - III ZR 66/14, NJW 2015, 3101 Rz. 19; v. 12.1.2016 - II ZR 280/14, juris Rz. 12). Als "Erledigungszeit" sind zumindest die ersten beiden Tage nach Zugang der Vorschussanforderung nicht mitzurechnen, weil eine Anweisung - jedenfalls - am Folgetag nicht nachlässig und für deren bankmäßige Abwicklung - jedenfalls - ein weiterer (Bankarbeits-) Tag erforderlich ist.

Rz. 18

Zweifel bestehen auch, ob dem Kläger mit dem LG eine weitere Nachlässigkeit deshalb vorgeworfen werden kann, weil er vor Zugang der Kostenvorschussanforderung nicht beim Gericht hinsichtlich der Höhe des Vorschusses nachgefragt hat. Ein Kläger darf grundsätzlich die Anforderung des Vorschusses abwarten (BGH, Urt. v. 3.9.2015 - III ZR 66/14, NJW 2015, 3101 Rz. 19 m.w.N.). Bleibt die Anforderung aus, muss er zwar nach angemessener Zeit beim Gericht nachfragen. Der Zeitraum von genau fünf Wochen dürfte aber noch knapp innerhalb jenes Zeitraums liegen, der noch keine Nachfrageobliegenheit begründet (BGH, Beschl. v. 5.11.2014 - III ZR 559/13, NJW-RR 2015, 125 Rz. 16).

 

Fundstellen

Haufe-Index 10957975

NJW 2017, 2623

NJW 2017, 9

IBR 2017, 475

JZ 2017, 590

MDR 2017, 1077

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