Zusammenfassung

Die virtuelle Hauptversammlung nach dem COVMG ist weder verfassungswidrig noch mit dem Wesen der Aktiengesellschaft unvereinbar. Auch das eingeschränkte Fragerecht der Aktionäre ist nicht zu beanstanden.

Zum Sachverhalt

Am 20.05.2020 hatte die Beklagte, eine AG, ihre ordentliche Hauptversammlung abgehalten, zu der sie am 09.04.2020 im Bundesanzeiger geladen hatte. Die Hauptversammlung fand pandemiebedingt in virtueller Form statt, entsprechend den Vorgaben des COVMG. Fragen mussten bis zum 17.05.2020 schriftlich eingereicht werden. Die Möglichkeit, während der Hauptversammlung Fragen zu stellen, bestand für die Aktionäre nicht. Im Rahmen der Hauptversammlung wurden mehrere Beschlüsse gefasst, darunter die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und die Wahl eines neuen Aufsichtsratsmitglieds. Der zuständige Notar nahm an der Hauptversammlung teil; das Protokoll wurde von ihm sechs Tage später unterzeichnet und fertig gestellt.

Mit der vor dem Landgericht Frankfurt a. M erhobenen Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage wandten sich einige Aktionäre gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung. Sie machten vor allem die Unzulässigkeit der Hauptversammlung an sich geltend, da das COVMG verfassungswidrig und deren Durchführung in virtueller Form mit dem Wesen der AG unvereinbar sei. Auch seien die Aktionäre durch das eingeschränkte Fragerecht in unzulässiger Weise in ihren Aktionärsrechten beschnitten. Ebenso seien die Beschlüsse formal schon wegen Verstoßes gegen die Protokollierungspflicht unwirksam. Der Notar hätte das Protokoll nicht erst sechs Tage nach der Hauptversammlung unterzeichnen dürfen.

Das Urteil des LG Frankfurt a. M. vom 23.02.2021 (Az. 3-05 O 64/20)

Das LG Frankfurt a. M. hat sämtlichen Argumenten der Kläger eine Absage erteilt und die Klage vollumfänglich abgewiesen. Eine Verfassungswidrigkeit des COVMG sei bereits nicht ersichtlich. Das Gesetz sei damit, jedenfalls während seiner Geltungsdauer, selbst Teil des Aktienrechts und für die Bestimmung des Wesens der AG ebenso maßgeblich. Denknotwendig könne somit auch kein Verstoß gegen das Wesen der Aktiengesellschaft vorliegen. Damit sei mit der durch den Gesetzgeber vorgenommenen Einschränkung des Fragerechts nach § 1 Abs. 2 Satz 2 COVMG auch keine unzulässige Verkürzung der Aktionärsrechte verbunden. Zudem sei anerkannt, dass auch bei Präsenz-Hauptveranstaltungen kein uferloser Anspruch auf Fragestellung und Beantwortung bestehe.

Schließlich sah das LG Frankfurt a.M. auch die spätere Fertigstellung des Protokolls durch den zuständigen Notar als unproblematisch an. Mit Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung hob das Gericht den Charakter des Hauptversammlungsprotokolls als Bericht hervor und verwies darauf, dass der Notar dieses selbst nach Unterzeichnung noch ändern könne, solange er sich seiner noch nicht entäußert habe. Damit sei gegen eine spätere Unterzeichnung und Fertigstellung erst recht nichts einzuwenden.

Praxishinweis

Nach § 118 AktG ist die Hauptversammlung einer AG zwingend als Präsenzveranstaltung konzipiert. Da größere Versammlungen während der Covid-19-Pandemie 2020 und 2021 vielerorts schlicht unmöglich waren, hat der Gesetzgeber bereits im März 2020 mit § 1 COVMG reagiert und den rechtlichen Rahmen dafür geschaffen, Hauptversammlungen auch virtuell, also ohne physische Anwesenheit der Aktionäre, abhalten zu können.

Das LG Frankfurt a. M. hatte sich nun mit dem COVMG zu befassen und mit seiner Entscheidung erstmals grundsätzliche Fragen zur virtuellen Hauptversammlung geklärt. Es hat ausdrücklich weder Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, gegen dessen Vereinbarkeit mit dem Wesen der AG oder gegen die Einschränkung des Fragerechts der Aktionäre. Dies bestätigt vor allem die Praxis in ihrer bisherigen Vorgehensweise, da nicht wenige Aktiengesellschaften die Form der virtuellen Hauptversammlung genutzt haben.

Daneben hatte das LG die Möglichkeit, sich zu den Modalitäten des Hauptversammlungsprotokolls zu äußern. Nach § 130 Abs. 1 S. 1 AktG ist regelmäßig erforderlich, dass das Protokoll notariell beurkundet und vom Notar unterschrieben wird. Bereits aus § 37 Abs. 2 BeurkG, der zwischen dem Ort und Tag der Wahrnehmung und dem Ort und Tag der Errichtung der Urkunde differenziert, lässt sich ableiten, dass beide Zeitpunkte nicht identisch sein müssen. Dies hat das LG Frankfurt a. M. in Fortführung seiner Rechtsprechung bestätigt.

Vor allem wegen der Klärung einiger grundsätzlicher Fragen zur virtuellen Hauptversammlung sollte die Entscheidung beachtet werden. Dabei stützt sie die Entscheidung des Gesetzgebers für den schnellen Erlass des COVMG und bestärkt die Praxis in ihrer bisherigen Handhabung. Das COVMG gilt bisher nur bis Ende 2021, womit dann auch die Möglichkeit einer virtuellen Hauptversammlung wieder entfällt. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber einen generellen gesetzlichen Rahmen hierfür schafft. In den Jahren 2020 und 2021 hat sich die Hauptversammlung per Videokonferenz bewährt, und zwar nicht nu...

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