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Eine Fristsetzung bzw. Abmahnung ist ferner dann entbehrlich, wenn besondere Gründe für eine sofortige Beendigung des Mietverhältnisses sprechen. Das wäre der Fall, wenn durch das Verhalten des Vertragspartners ein endgültiger Zustand geschaffen worden ist, der rechtlich oder tatsächlich unumkehrbar ist. Ein rechtlich unumkehrbarer Zustand läge vor, wenn die Mietsache für einen festen Zeitraum weiter vermietet und vom neuen Mieter bereits in Gebrauch genommen worden ist (z. B. bei Doppelvermietung). Dasselbe gilt für die unberechtigte Untervermietung. Die fristlose Kündigung ohne Abmahnung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die zu einem Fixtermin (Umzug, Messe, Ausstellung) angemietete Sache inzwischen weiter vermietet worden ist und der Termin verstrichen ist. Der Vermieter kann aber auch – ohne Abmahnung – dann fristlos kündigen, wenn der Mieter die Mietsache unter Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt – z. B. durch ständig offen gelassene Fenster – derart in der Bausubstanz gefährdet, dass Einsturzgefahr besteht. Auch ein vertragswidriges Verhalten des Mieters, das die Gefahr eines Brandes konkret verwirklicht, braucht vorher nicht abgemahnt zu werden. Insoweit kommt eine Kündigung ohne Fristsetzung oder Abmahnung natürlich nur dann in Betracht, wenn der Kündigungsgrund in der Person oder im Risikobereich des Kündigungsgegners liegt. Dieser muss sich allerdings auch das Verschulden von Haushaltsangehörigen oder Besuchern zurechnen lassen. Begehen daher der Sohn oder die Tochter des Mieters oder einer seiner Besucher den Vertragsverstoß, so ist eine Fristsetzung oder Abmahnung nicht erforderlich (a. A. AG Stuttgart, Urteil v. 11.12.2020, 35 C 4053/20, BeeckRS 2020, 35622 bei zurechenbarem Fehlverhalten eines Besuchers).

Die Abmahnung ist auch dann entbehrlich, wenn wegen der Schwere der Vertragsverletzung (Sachbeschädigung oder Zerstörung der Mietsache, schwere Straftaten gegen den Vertragspartner) die Interessenverletzung offensichtlich ist (AG Melsungen, Urteil v. 7.12.2017, 4 C 325/17, juris; AG München, Urteil v. 17.10.2005, 461 C 18919/05; LG München I, Beschluss v. 20.12.2005, 14 S 22556/05, WuM 2006, 524). Das gilt auch bei strafrechtlich geahndeter Formalbeleidigung und Bedrohung eines Hausbewohners (LG München, Urteil v. 27.9.2017, 14 S 288/17, ZMR 2018, 47; weitergehend AG München, Urteil v. 7.4.2017, 474 C 18956/16, WuM 2018, 83: auch ohne strafrechtliche Ahndung bei einmaligem schweren Verstoß).

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