Leitsatz

Das OLG München hat sich in dieser Entscheidung mit der Anrechnung des Kindergeldes nach der gesetzlichen Neuregelung des Mindestbedarfs im Mangelfall auseinandergesetzt.

 

Sachverhalt

Ein im Jahre 1996 geborenes minderjähriges Kind hatte, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie, Festsetzung von Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrags im vereinfachten Verfahren begehrt und diesen Antrag später dahingehend ergänzt, dass ab dem 1.1.2008 jeweils 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe gefordert werden. Nachdem auf Grund von dem Antragsgegner vorgelegter Lohnabrechnungen festgestellt worden war, dass es sich um einen Mangelfall handelte, änderte der Antragsteller seinen Antrag dahingehend ab, dass ab dem 1.1.2008 jeweils 68 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe gefordert werden. Im Übrigen teilte er mit, dass die Mutter das Kindergeld erhalte und dieses ab 1.11.2007 154,00 EUR monatlich betrage.

Nach Zustellung des Antrages erkannte der Antragsgegner unter Verwahrung gegen die Kostenlast für die Zeit ab Mai 2009 den geltend gemachten Unterhalt an. Dabei führte er aus, dass Unterhaltsrückstände nicht bestanden und er zu keinem Zeitpunkt Veranlassung zur Einleitung des Verfahrens gegeben, sondern seine Unterhaltsverpflichtung im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit anerkannt und erfüllt habe.

Mit Beschluss vom 4.9.2009 setzte das AG den zu zahlenden Unterhalt auf 68 % des jeweiligen Mindestunterhalts gemäß § 1612a Abs. 1 BGB der 3. Altersstufe fest und bestimmte zugleich, dass sich die Unterhaltsleistung um das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind, seinerzeit monatlich 77,00 EUR, mindere, so dass der zu zahlende Unterhalt 174,00 EUR monatlich betrage.

Beide Parteien legten gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Der Antragsteller mit der Begründung, der zu zahlende Unterhalt sei auf 68 % des Mindestunterhalts nach Abzug des Kindergeldes festzusetzen. Der Antragsgegner monierte mit seiner Beschwerde, dass er den Unterhaltsanspruch in der Vergangenheit stets erfüllt und keinen Anlass zur Einleitung des Verfahrens gegeben habe.

Das AG half beiden Beschwerden nicht ab.

 

Entscheidung

Das OLG hielt beide Beschwerden für zulässig.

Die Beschwerde des Antragstellers sei insoweit begründet, als die Festsetzung des Unterhalts auf 68 % des Mindestunterhalts nach Kindergeldverrechnung zu erfolgen habe. Das Rechtsmittel des Antragsgegners hatte insoweit Erfolg, als er einen späteren Zeitpunkt des Beginns der Unterhaltsverpflichtung begehrte.

Zu der Beschwerde des Antragstellers führte das OLG aus, dass die vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Festsetzung des Unterhalts nicht der Rechtslage nach §§ 1612a, 1612b BGB entspreche, soweit der zu leistende Unterhalt auf 68 % des Mindestunterhalts festgesetzt und sodann der Abzug des hälftigen Kindergeldes von diesem sich daraus ergebenden Unterhaltsbetrag vorgenommen worden sei.

Durch das UÄndG vom 21.12.2008 sei in § 1612a Abs. 1 BGB ein gesetzlicher Mindestunterhalt als generalisierender Bedarfsmaßstab für minderjährige Kinder festgelegt worden. Die Festschreibung eines Mindestbedarfs habe jedoch nicht zur Folge, dass der Unterhaltspflichtige in jedem Fall für einen Unterhalt in dieser Höhe aufzukommen habe. Seine Zahlungspflicht hänge vielmehr weiterhin von seiner Leistungsfähigkeit ab, wobei ihm zumindest der notwendige Selbstbehalt gegenüber einem minderjährigen unverheirateten Kind verbleiben müsse.

Nach § 1612b Abs. 1 BGB sei das Kindergeld zur Deckung des Mindestbedarfs des Kindes zu verwenden, und zwar hälftig, wenn der andere Elternteil seine Unterhaltsverpflichtung durch die Betreuung des Kindes erfülle. Unterhaltsrechtlich sei das Kindergeld wegen seiner Zweckbestimmung als Einkommen des Kindes zu behandeln und kürze daher wie andere Einkünfte auch dessen Bedarf.

Diese Bedarfsdeckung werde - im Verhältnis zur früheren bloßen Anrechnung des Kindergeldes - dann praktisch, wenn die Mittel des Barunterhaltsverpflichteten begrenzt seien (Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 2 Rz. 509).

Reiche das Einkommen des Schuldners zur Zahlung des Mindestunterhalts abzüglich des darauf anzurechnenden Kindergeldanteils aus, sei er leistungsfähig. Seine Leistungsfähigkeit orientiere sich mithin an dem ermittelten Zahlbetrag nach Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle. Könne der Unterhaltsverpflichtete diesen Betrag ohne Gefährdung seines notwendigen Selbstbehalts nicht aufbringen, sei er nicht leistungsfähig. Ein Mangelfall liege erst und nur dann vor, wenn dem Pflichtigen nach Abzug der Zahlbeträge nach Einkommensgruppe 1 von seinem bereinigten Nettoeinkommen der notwendige Selbstbedarf nicht mehr verbleibe.

Die gesetzliche Neuregelung eines Mindestbedarf und der bedarfsdeckenden Anrechnung des Kindergeldes führe dazu, dass in Mangelfällen in allen drei Altersgruppen von der Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle auszugehen sei und zunächst das Kindergeld hälftig (oder in voller Höhe, je nach Bet...

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