Leitsatz

Die Eltern stritten mehrfach um den Unterhalt ihrer Kinder. Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, wann eine Vereinbarung der Eltern über Kindesunterhalt als Freistellungsvereinbarung zu bewerten ist.

 

Sachverhalt

Die Parteien waren geschiedene Eheleute und hatten fünf gemeinsame Kinder. Sie stritten um Rückgriffsansprüche und Freistellung von Kindesunterhalt. In einer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 15.6.1999 hatten sie u.a. den Kindesunterhalt für die bei der Ehefrau lebenden Kinder festgelegt. Auf der Grundlage eines um Steuern, Sozialversicherungs- und Lebensversicherungsbeiträge für die Kinder bereinigten Nettoeinkommens aus selbständiger Tätigkeit von 6.245,00 DM und unter Berücksichtigung einer Herabstufung um zwei Gruppen wegen mehr als drei Unterhaltsberechtigter wurde der Kindesunterhalt nach der Einkommensgruppe 8 der seinerzeit gültigen Düsseldorfer Tabelle vereinbart.

Im Jahre 2002 erfolgte ein Verzicht der Ehefrau auf Ehegattenunterhalt. Nach einem beruflichen Aufstieg des unterhaltspflichtigen Ehemannes wurde am 07.03.2003 schriftlich eine Erhöhung auf die neunte und ab 1.1.2004 auf die zehnte Einkommensstufe mit 170 % des Regelbetrages festgelegt. Die Festschreibung auf die zehnte Einkommensstufe wurde als unabänderbar vereinbart, solange der Unterhaltspflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit aufgrund seiner neuen Position als Bereichsleiter beziehen würde.

Letztlich sollte nur noch der Altersstufenwechsel berücksichtigt werden.

Im Juni 2005 erhoben die drei jüngsten Kinder, die seinerzeit alle noch minderjährig waren und von der Ehefrau gesetzlich vertreten wurden, gegen ihren Vater Klage auf Auskunft und Unterhalt. Die erteilte Auskunft ergab monatliche Nettoeinkünfte des Vaters von 8.000,00 EUR und Mieteinnahmen von 1.600,00 EUR. Der Vater erkannte 200 % des Regelbetrages als Unterhalt an, worauf das AG ein entsprechendes Anerkenntnisurteil erließ.

In dem zu entscheidenden Fall begehrte der Vater ab April 2006 von der Kindesmutter die Erstattung des Kindesunterhalts, den er nach dem Anerkenntnisurteil über die Vereinbarung vom 07.03.2003 hinaus gezahlt hatte. Ferner begehrte er für die Zukunft Feststellung einer entsprechenden Freistellungsverpflichtung. Das AG gab der Klage statt. Das OLG hat die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die zugelassene Revision der Beklagten.

Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.

 

Entscheidung

Der BGH ging in seiner Entscheidung davon aus, dass eine Freistellungsvereinbarung im Ergebnis nicht anzunehmen sei. Die Vereinbarung sei für die Kinder nicht verbindlich und wirksam, weil sie weder in deren Namen abgeschlossen noch als Vertrag zugunsten Dritter zu werten sei. Im Übrigen fehle es jedenfalls an einem - ausdrücklich oder stillschweigend - erklärten Rechtsbindungswillen, welcher der getroffenen Vereinbarung den Charakter einer Freistellungsabrede verleihen könnte.

Derartiges ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Vereinbarung sowie den Begleitumständen noch durch schlüssiges Verhalten.

Nach der vom Berufungsgericht unterstellten Erklärung hätte sich die Beklagte verpflichten wollen, Zusatzzahlungen zu erbringen, gleich in welcher Höhe der nach dem Einkommen des Vaters zu ermittelnde Unterhalt gelegen habe. Damit hätte sie ihre Leistungspflicht nicht nur über die gesetzliche Regelung nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB hinaus ausgedehnt, sondern ihre Verpflichtung auch von Umständen abhängig gemacht, die außerhalb ihres Einflussbereichs lagen. Mit der Vereinbarung seien auch sonst für sie keine Vorteile einhergegangen, die ihren Erklärungs- und Bindungswillen hinsichtlich einer Freistellung nahe legen könnten.

Dass das Berufungsgericht der Beklagten dennoch einen Freistellungswillen unterstellt habe, entbehre nicht nur ausreichender Anhaltspunkte, sondern widerspreche auch einer interessengerechten Auslegung, weil sie einseitig dem Interesse des Klägers Rechnung trage, die ggü. den Kindern nicht wirksame Unterhaltsbegrenzung mit demselben wirtschaftlichen Ergebnis auf andere Weise zu verwirklichen.

Auch für eine denkbare ergänzende Auslegung der Vereinbarung vom 7.3.2003 fehle es an einer Grundlage. Eine ergänzende Auslegung wäre überdies zur Lückenfüllung nicht notwendig, weil die infolge der mangelnden Wirksamkeit entstehende Lücke bereits durch die gesetzliche Regelung ausgefüllt werde.

 

Hinweis

Auf Kindesunterhalt kann grundsätzlich nicht wirksam verzichtet werden, § 1614 BGB. Freistellungsvereinbarungen zwischen Eltern über die Zahlung von Kindesunterhalt sind hingegen zulässig und werden häufig praktiziert. Für die betroffenen Kinder entfalten Freistellungsvereinbarungen zwischen den Eltern in der Regel keine Wirkung, da sie an diesen Vereinbarungen nicht beteiligt sind. Sie gelten nur zwischen den Eltern. Freistellungsregelungen hindern die Kinder nicht an der Geltendmachung von Unterhalt ggü. einem freigestellten Elternteil. Der ...

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