Volljährige Kinder, die wegen einer bestehenden Erwerbsminderung auf Dauer ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Erwerbstätigkeit bestreiten können, haben Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII.[1] Leistungen der Grundsicherung sind unter den Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XII auf den Unterhaltsbedarf eines Leistungsempfängers anzurechnen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sind Grundsicherungsleistungen nicht nachrangig. Sie sind daher als Einkommen anzusehen und reduzieren den unterhaltsrechtlichen Bedarf des Leistungsempfängers, ohne dass es darauf ankommt, ob sie zu Recht oder zu Unrecht bewilligt worden sind.[2] Ein erwerbsunfähiges Kind ist daher aus unterhaltsrechtlicher Sicht verpflichtet, einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen zu stellen. Andernfalls können fiktiv bedarfsdeckende Einkünfte angerechnet werden.[3] Der BGH[4] erläutert hierzu:

BGH, Beschluss v. 8.7.2015, XII ZB 56/14

Zitat

…Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach den §§ 41 ff. SGB XII vor, werden diese unabhängig von etwaigen Unterhaltsansprüchen gegen Eltern und Kinder gewährt (vgl. BSG FamRZ 2009, 44 Rn. 16). Sie sind daher dem Unterhaltsanspruch gegenüber nicht nachrangig, sondern gelten als Einkommen und reduzieren dadurch den unterhaltsrechtlichen Bedarf des Leistungsempfängers, ohne dass es darauf ankommt, ob sie zu Recht oder zu Unrecht bewilligt worden sind (Senatsurteil vom 20. Dezember 2006 – XII ZR 84/04 – FamRZ 2007, 1158 Rn. 14). Nach allgemeiner Ansicht besteht daher für den Unterhaltsberechtigten grundsätzlich die Obliegenheit zur Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen; eine Verletzung dieser Obliegenheit kann zur Anrechnung fiktiver Einkünfte in der Höhe der entgangenen Grundsicherung führen (OLG Frankfurt Urteil vom 23. Januar 2008 – 5 UF 146/07 – juris Rn. 19; OLG Nürnberg FamRZ 2004, 1988; OLG Saarbrücken MittBayNot 2005, 436, 437; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 1 Rn. 706; Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 8 Rn. 161; Erman/Hammermann BGB 14. Aufl. § 1602 Rn. 49; Soergel/Lettmaier BGB 13. Aufl. § 1602 Rn. 27; Koch/Margraf Handbuch des Unterhaltsrechts 12. Aufl. Rn. 6048a; Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 3. Aufl. § 1602 BGB Rn. 30; NK-BGB/Saathoff 3. Aufl. § 1602 Rn. 21; Günther FPR 2005, 461, 464; Scholz, FamRZ 2007, 1160, 1161; vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. Juni 2015 – XII ZB 458/14 – zur Veröffentlichung bestimmt, dort zur Obliegenheit zum Abschluss einer Pflegeversicherung)…

[1] Ausführliche Informationen zu Grundsicherungsleistungen sind u. a. zu finden unter: https://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Sozialhilfe/grundsicherung-im-alter-und-bei-erwerbsminderung.html.

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