Entscheidungsstichwort (Thema)

Wesentliche Änderung der Verhältnisse bei Verringerung des Unterhaltsanspruchs von ca. 10 %

 

Leitsatz (amtlich)

1. Außer bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen liegt in der Regel eine wesentliche Änderung der für die Verurteilung zu einer Unterhaltsleistung maßgebenden Verhältnisse vor, wenn die Änderung zu einer Verringerung des Unterhaltsanspruchs von etwa 10 % führt.

2. Ein volljähriges erwerbsunfähiges Kind muss sich Leistungen nach §§ 1 ff. GSiG auf seinen Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater fiktiv nur dann anrechnen lassen, wenn ihm wegen der Nichtinanspruchnahme der Grundsicherungsleistungen ein Obliegenheitsverstoß anzulasten ist.

3. Die auf Grund eines Unterhaltstitels erbrachten Unterhaltsleistungen können gem. § 3 Abs. 2 GSiG i.V.m. §§ 76 ff. BSHG dazu führen, dass das Kind keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen hat.

 

Verfahrensgang

AG Erlangen (Urteil vom 24.06.2003; Aktenzeichen 1 F 408/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.12.2006; Aktenzeichen XII ZR 84/04)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des AG - FamG - Erlangen vom 24.6.2003 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen, mit Ausnahme der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten, welche die Nebenintervenienten je zur Hälfte zu tragen haben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen eine Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss: Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.951,48 Euro (579,29 × 12) festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Abänderung des Urteils des OLG Nürnberg vom 23.1.2002, in dem er verurteilt wurde, der Beklagten, seiner Tochter, für die Zeit vom 1.3.2000 bis 31.12.2001 Unterhaltsrückstände von insgesamt 11.721,88 Euro und ab 1.1.2002 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 579,29 Euro zu zahlen.

Die am 7.9.1966 geborene Beklagte ist schwerbehindert. Wegen einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis ist sie nicht erwerbsfähig. Der Grad ihrer Behinderung beträgt 60 %. Sie erhält eine Erwerbsunfähigkeitsrente von monatlich 188,85 Euro. Vom 1.7.2002 bis 31.6.2003 betrug die Rente monatlich 186,90 Euro.

Grundlage für die Verurteilung zur Zahlung des laufenden Unterhalts war ein Mindestbedarf der Beklagten in Höhe des notwendigen Selbstbehalts von 1.425 DM (= 728,59 Euro), ein Medikamentenmehraufwand von monatlich 60 DM (= 30,68 Euro). Nach Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente der Beklagten von 352 DM (= 179,97 Euro) verblieb der vom Kläger zu zahlende Betrag von 1.133 DM (= 579,29 Euro).

Der Kläger ist der Auffassung, seine erwerbsunfähige Tochter habe einen Anspruch auf eine Grundsicherungsleistung. Mit Schreiben vom 22.2.2003 forderte er die Beklagte deshalb auf, Grundsicherungsleistungen im Rahmen des Grundsicherungsgesetzes in Anspruch zu nehmen.

Den daraufhin von der Beklagten am 10.3.2003 gestellten Antrag wies die Stadt E. mit Bescheid vom 20.3.2003 zurück, da die Beklagte über ein Bank- und Sparguthaben von 6.508,31 Euro verfüge, welches sie bis zum Betrag von 2.301,00 Euro vor Gewährung von Grundsicherungsleistungen für ihren Lebensunterhalt einzusetzen habe. Außerdem sei ihr bereinigtes Einkommen von 755 Euro (§ 3 Abs. 2 GSiG) höher als ihr Anspruch auf Grundsicherung von 584,30 Euro. Die Regierung von M. wies den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch am 26.1.2004 mit der Begründung zurück, das Vermögen der Beklagten sei gem. § 3 Abs. 2 GSiG i.V.m. §§ 76, 88 BSHG zu berücksichtigen. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, wieso das aus Unterhaltszahlungen stammende Vermögen in der kurzen Zeit verbraucht sei. Über die dagegen eingelegte Klage hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden.

Mit dem Vorbringen, der notwendige Bedarf der Beklagten werde durch die Grundsicherung im vollen Umfange abgedeckt, so dass der Beklagten kein Unterhaltsanspruch mehr zustehe, hat der Kläger die Abänderung des Urteils des OLG Nürnberg vom 23.1.2002 dahin beantragt, dass er der Beklagten ab 1.3.2003 keinen Unterhalt mehr schuldet.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie sei nach wie vor unterhaltsbedürftig, da sie sich erfolglos um eine Grundsicherung bemüht habe. Außerdem habe sie keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen, da der Kläger über ein jährliches Einkommen von 100.000 Euro verfüge.

Durch Endurteil vom 24.6.2003 hat das AG - FamG - Erlangen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen einer Abänderungsklage seien nicht gegeben. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des OLG sei das Gesetz über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bereits erlassen gewesen. Darüber hinaus schränke das Grundsicherungsgesetz weder die Unterhaltspflicht der Verwandten ein noch führe es zu einem Wegfall der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten. Die Beklagte könne sich nicht durch einen f...

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