Entscheidungsstichwort (Thema)

Voll Erwerbstätige sind nicht verpflichtet, zur Zahlung von Kindesunterhalt ergänzende Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Unterhaltsberechnung sind zusätzliche fiktive Einkünfte einem Unterhaltsverpflichteten dann nicht zuzurechnen, wenn er seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit hinreichend nachkommt. Ein voll erwerbstätiger Verpflichteter ist auch nicht gehalten, ergänzende Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, wenn er ein angemessenes Nettoeinkommen (hier: 1.500 EUR) erzielt, da es niemandem zumutbar ist, durch die Zahlung von Unterhalt selbst sozialhilfebedürftig zu werden.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 25.09.2007; Aktenzeichen 145 F 13273/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 25.9.2007 - 145 F 13273/07 - geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird unter Abänderung der Unterhaltsurkunde des Landkreises Oberhavel vom 21.2.2006 (Registernummer 00171/2006) verurteilt, an das gemeinsame Kind der Parteien ..., geb. am ..., zu Händen der Klägerin Unterhalt wie folgt zu zahlen:

1.a) für November 2007 154 EUR;

1.b) für Dezember 2007 199 EUR

1.c) für den Zeitraum von Januar 2008 bis einschließlich Mai 2008 59,8 % des Mindestunterhalts gem. § 1612a BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EG ZPO

1.d) ab Juni 2008 51,2 % des Mindestunterhalts nach § 1612a BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EG ZPO.

2. Der Beklagte wird unter Abänderung der Unterhaltsurkunde des Landkreises Oberhavel vom 21.2.2006 (Registernummer 000172/2006) verurteilt, an das gemeinsame Kind der Parteien ..., geb. am ..., zu Händen der Klägerin Unterhalt wie folgt zu zahlen:

2.a) für November 2007 154 EUR

2.b) für Dezember 2007 170 EUR

2.c) für den Zeitraum von Januar 2008 bis einschließlich Mai 2008 59, 8 % des Mindestunterhalts gem. § 1612a BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EG ZPO.

2.d) ab Juni 2008 51,2 % des Mindestunterhalts nach § 1612a BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EG ZPO

3. der Beklagte wird unter Abänderung der Unterhaltsurkunde des Landkreises Oberhavel vom 21.2.2006 (Regisaternummer 00173/2006) verurteilt, an das gemeinsame Kind der Parteien ..., geb. am ..., zu Händen der Klägerin Unterhalt wie folgt zu zahlen:

3.a) für November 2007 127 EUR

3.b) für Dezember 2007 140 EUR

3.c) für den Zeitraum von Januar 2008 bis einschließlich Mai 2008 59,8 % des Mindestunterhalts gem. § 1612a BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EG ZPO

3.d) ab Juni 2008 51,2 % des Mindestunterhalts nach § 1612a BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EG ZPO.

Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 90 % und der Beklagte zu 10 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nur hinsichtlich des Monats Dezember 2007 teilweise begründet, im Übrigen ist sie unbegründet. Entgegen der Ansicht und dem zweitinstanzlichen Begehren der Klägerin ist der Beklagte gem. § 1603 Abs. 1 BGB mangels ausreichender Leistungsfähigkeit nicht in der Lage, 100 % der jeweiligen Regelbeträge nach § 1 der Regelbetrag-Verordnung bzw. ab dem 1.1.2008 den jeweiligen Mindestunterhalt zu zahlen.

1) Der Senat geht von folgenden Einkünften des Beklagten aus:

Für den Monat November 2007 ist noch das bei der ... erzielte Einkommen i.H.v. bereinigt 1 371,76 EUR zugrunde zu legen.

Ab Dezember 2007 ist der Beklagte bei seinem neuen Arbeitgeber beschäftigt.

Im Zeitraum von Dezember 2007 bis einschließlich Mai 2008 erzielte er die in seinem Schriftsatz vom 24.6.2008 aufgelisteten Nettoeinkünfte. Die Zahlen stimmen mit denjenigen in den vorgelegten Verdienstbescheinigungen überein.

Der Beklagte verfügte im Zeitraum ab Dezember 2007 über ein durchschnittliches Nettoeinkommen i.H.v. 1 648,35 EUR. Hierbei sind allerdings durchschnittlich 304 EUR Spesen, insbesondere Verpflegungszuschüsse, enthalten. Ohne diese Spesen beträgt das Nettoeinkommen lediglich durchschnittlich 1 344,35 EUR.

Da konkrete Anhaltspunkte für die Höhe des Verpflegungsaufwandes, den der Beklagte als Kraftfahrer hat, fehlen, rechnet der Senat die Spesen zu einem Drittel, das sind monatlich 101,33 EUR, einkommenserhöhend an (vgl. auch Ziff. 1.4 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des KG sowie OLG Brandenburg, Urt. vom 11.10.2007 - 10 UF 47/07 - bei juris).

Das sich so ergebende Einkommen i.H.v. 1 445,68 EUR ist allerdings noch um die anteilige Jahresprämie und um das anteilige Urlaubsgeld zu erhöhen.

Gemäß Ziff. 5.2 des vorgelegten Änderungsarbeitsvertrages vom 1.2.2008 kann der Beklagte zudem eine Jahresprämie von 500 EUR brutto = netto verdienen. Der Zusatzverdienst ist zwar daran gekoppelt, dass der Arbeitnehmer die Zulage gemäß Punkt 5.1 verdient, die bei Sauberkeit des Fahrzeuges und unfallfreier Fahrt gezahlt wird. Es ist jedoch anzunehmen, ...

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