Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 15.01.2020; Aktenzeichen 64 O 97/19)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 06.07.2022; Aktenzeichen VIII ZR 155/21)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 15. Januar 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 64 O 97/19 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2019 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel in § 8 Abs. 4 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Wärmelieferungsvertrages vom 15./23. Oktober 2009 unwirksam ist.

3. Es wird festgestellt, dass durch das Schreiben der Beklagten vom 24. April 2019 die dort angeführte, den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel nicht wirksam in den zwischen den Parteien bestehenden Wärmelieferungsvertrag vom 15./23. Oktober 2009 einbezogen worden ist.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen werden die Berufungen der Parteien zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Abrechnung von Fernwärmelieferung und die Wirksamkeit der Preisanpassungsklauseln in einem zwischen ihnen seit 2009 bestehenden Wärmelieferungsvertrag. Der Kläger macht geltend, die Klauseln seien unwirksam. Er fordert für die Jahre 2015 bis 2018 für die Wärmelieferung gezahlte Beträge zurück, soweit sie auf Preiserhöhungen beruhen. Ferner begehrt er die Feststellung der Unwirksamkeit der ursprünglich vereinbarten und einer von der Beklagten mit Schreiben vom 24. April 2019 für maßgeblich erklärten Preisänderungsklauseln.

Das Landgericht hat den Feststellungsanträgen entsprochen. Dem Zahlungsantrag ist es auf der Grundlage des niedrigsten Preises gefolgt, der in den drei Jahren vor dem erstmaligen Widerspruch des Klägers nach den Preiserhöhungserklärungen der Beklagten maßgeblich war, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgen beide Parteien ihre erstinstanzlichen Prozessziele weiter.

Der Kläger trägt erstmals in der Berufungsinstanz vor, auch die Preisanpassungsklausel zum Bereitstellungspreis sei unwirksam. Bislang sei nicht feststellbar gewesen, ob die Klausel im Wärmelieferungsvertrag im Wesentlichen der von der ... AG mit der Beklagten vereinbarten Preisanpassung - dort in Bezug auf den von ... so bezeichneten Grundpreises - entspreche (Bd. II Bl. 113). Aus der nunmehr mit der Abrechnung 2019 eingereichten Preisliste der ... AG (Anlage K 22 Bd. II Bl. 124) sei ersichtlich, dass die ...-Preisanpassungsklausel zum Grundpreis die Lohnkosten nur mit einem Anteil von 32 % berücksichtigt, die von der Beklagten in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrages formulierte Preisanpassungsklausel zum Bereitstellungspreis jedoch mit einem Anteil von 60 %. Die zweite Variable in der ...-Preisanpassungsklausel sei der Investitionsgüterindex, in der Klausel der Beklagten jedoch der jeweilige Jahresindex der Erzeugerpreise für gewerbliche Produkte. Diese beiden Indexe seien nicht im Wesentlichen ähnlich. Die Klausel entspreche daher nicht dem Gebot der Kostenorientierung. Falls der Senat erwägen sollte, die sog. t3-Rechtsprechung des BGH seiner Entscheidung zugrunde zu legen beantragt er, nach § 267 Abs. 2 AEUV das Verfahren bis zu einer Entscheidung des EuGH auszusetzen. Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen nicht vereinbar.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin zu verurteilen, an ihn weitere 1.695,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

unter Zurückweisung der Berufung des Klägers die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Beklagte weist darauf hin, der Investitionsgüterindex stelle umgangssprachlich das dar, was beim statistischen Bundesamt als der "Index der Erzeugerpreise gewerbliche Produkte (Inlandsabsatz)" geführt werde. Die Beklagte habe bei ihrer Preisanpassung des Arbeitspreises zu 100 % an die ihr in Rechnung gestellten Vorkosten angeknüpft. Der Faktor Lohnkosten bei ... fließe damit in den Energiepreis E ein. Ihre eigene Kostensituation bringe sie alsdann über den Bereitstellungspreis ein.

Der Kläger beantragt ferner,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wird wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der dort gestellten Anträge auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug geno...

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