Leitsatz (amtlich)

1. Ist eine den Arbeitspreis betreffende Preisanpassungsklausel in einem Vertrag über die Lieferung von Fernwärme wegen Verstoßes gegen § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV gemäß § 134 BGB nichtig, folgt daraus nicht die Unwirksamkeit einer in derselben Vertragsbestimmung enthaltenen, den Bereitstellungspreis betreffenden Preisanpassungsklausel; § 139 BGB ist nicht anwendbar.

2. In einem Vertrag über die Lieferung von Fernwärme ist das Versorgungsunternehmen regelmäßig weder nach § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV noch sonst dazu berechtigt, durch einseitige Erklärung, also ohne Zustimmung des Kunden eine Preisanpassungsklausel in den bestehenden Vertrag einzubeziehen (Anschluss an OLG Frankfurt, Urteil vom 21. März 2019 - 6 U 191/17 -, juris Rn. 17 bis 31).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 1 O 90/19)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 06.04.2022; Aktenzeichen VIII ZR 295/20)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 31. Januar 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 1 O 90/19 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 4,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2019 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel in § 8 Abs. 4 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Wärmelieferungsvertrages vom 25. September/10. Oktober 2009 unwirksam ist.

3. Es wird festgestellt, dass durch das Schreiben der Beklagten vom 24. April 2019 die dort angeführte, den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel nicht wirksam in den zwischen den Parteien bestehenden Wärmelieferungsvertrag vom 25. September/10. Oktober 2009 einbezogen worden ist.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen werden die Berufungen der Parteien zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1), der Kläger 2) und die Beklagte je zu 1/3 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen, soweit es den Klageantrag zu 3) betrifft. Wegen der Klageanträge zu 1) und 2) wird die Revision zugelassen, soweit der Senat die Klage insoweit wegen der von ihm angenommenen Wirksamkeit der den Bereitstellungspreis betreffenden Preisanpassungsklausel abgewiesen hat. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Preisanpassungsklauseln in einem zwischen ihnen seit 2009 bestehenden Wärmelieferungsvertrag. Die Kläger machen geltend, die Klauseln seien unwirksam. Sie fordern ihre in den Jahren 2015 bis 2018 für die Wärmelieferung gezahlten Beträge zurück, soweit sie auf Preiserhöhungen beruhen. Ferner begehren sie die Feststellung der Unwirksamkeit der ursprünglich vereinbarten und einer von der Beklagten mit Schreiben vom 24. April 2019 für maßgeblich erklärten Preisänderungsklauseln.

Das Landgericht hat den Feststellungsanträgen der Kläger entsprochen; dem Zahlungsantrag ist es auf der Grundlage des niedrigsten Preises gefolgt, der in den drei Jahren vor dem erstmaligen Widerspruch der Kläger nach den Preiserhöhungserklärungen der Beklagten maßgeblich war, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen.

Mit ihren Berufungen verfolgen beide Parteien ihre erstinstanzlichen Prozessziele weiter.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 7. August 2020 auf den Berichterstatter zur weiteren Entscheidung als Einzelrichter übertragen.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 31. Januar 2020 - 1 O 90/19 - zu verurteilen, an sie weitere 1.779,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragen,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen und auf ihre Berufung, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Die Kläger beantragen ferner,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen aller übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

II. Die zulässigen Berufungen der Parteien sind in dem aus dem abgeänderten Entscheidungstenor des angefochtenen landgerichtlichen Urteils ersichtlichen Umfang begründet.

1. Von den beiden in § 8 Abs. 4 des zwischen den Parteien bestehenden Wärmelieferungsvertrag vom 25. September/10. Oktober 2009 enthaltenen Preisanpassungsklauseln, ist, insoweit dem angefochtenen Urteil des Landgerichts folgend, die den Arbeitspreis betreffende unwirksam, während gegen die den Bereitstellungspreis betreffende entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Wirksamkeitsbedenken bestehen. Dementsprechend war dem die Preisanpassungsklauseln aus dem ursprünglichen Wärmelieferungsantrag betreffenden Feststellungsantrag (Klageantrag ...

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