Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 19.06.1991; Aktenzeichen 24 O 6/90)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. Juni 1991 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

1. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner 30.114,66 DM nebst 4 % Zinsen von 114,66 DM seit dem 9. Juni 1988 sowie 4 % Zinsen von 30.000,00 DM seit dem 22. Januar 1990 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren materiellen Schaden aus Anlaß des Verkehrsunfalls vom 5. November 1987 in 1000 Berlin 31, Mecklenburgische Straße 76, in Höhe einer Quote von 2/3 zu zahlen, soweit die Forderung nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger 2/7 und die Beklagten als Gesamtschuldner 5/7 zu tragen.

Von den Kosten des zweiten Rechtszuges haben der Kläger 2/5 und die Beklagten als Gesamtschuldner 3/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 60.000,-- DM.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Die Beklagten haften dem Kläger gemäß § 7 Abs. 1 StVG, §§ 823, 254 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1, 2 Pflichtversicherungsgesetz dem Grunde nach auf Schadensersatz nach einer Quote von 2/3. Darüber hinaus hat der Kläger gemäß den §§ 823, 847 BGB einen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, daß der Beklagte zu 1) den Unfall schuldhaft verursacht hat, woraus sich neben seiner Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB zugleich ergibt, daß der Unfall für ihn kein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG darstellte.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, daß sich der Kläger ein Mitverschulden anrechnen lassen muß, §§ 9 StVG, 254 BGB. Hierbei sind ebenso wie bei der Schadenabwägung nach Maßgabe des § 17 StVG zu Lasten des Kraftfahrers, aber auch zu Lasten des Klägers selbst nur bewiesene Tatsachen zu berücksichtigen (Senatsurteile vom 20. Juni 1991 - 12 U 785/90 - und 6. März 1989 - 12 U 3045/88 -; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 31. Aufl., Rdnr. 25 zu § 9 StVG, Rdnr. 21 zu § 17 StVG m.w.N.; Greger, StVG, 2. Aufl., Rdnr. 100 zu § 9, Rdnr. 50 f zu § 17; Palandt/Heinrichs, BGB 50. Aufl., Rdnr. 82 zu § 254).

Dabei gelten bei der Fahrbahnüberquerung eines Fußgängers unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles folgende Erwägungen:

Grundsätzlich ist die Fahrbahn in erster Linie für den Fahrzeugverkehr bestimmt, der auf diesem Straßenteil Fußgängern gegenüber bevorrechtigt ist. Der Fußgänger hat daher beim Überqueren der Fahrbahn außerhalb durch Lichtzeichenanlagen oder entsprechende Fahrbahnmarkierungen (Zeichen 293) geschützter Überwege auf den fließenden Verkehr Rücksicht zu nehmen und darauf zu achten, daß er kein Fahrzeug gefährdet oder behindert. Der Kraftfahrer kann in der Regel darauf vertrauen, daß der Fußgänger die Fahrbahn nicht ohne Rücksicht auf den fließenden Verkehr betritt. Er ist zwar gehalten, die vor ihm liegende Fahrbahn und auch die angrenzenden Straßenteile zu beobachten (BGH VersR 1966, 736; Senatsurteil vom 17. März 1988 - 12 U 3919/87 -), braucht jedoch grundsätzlich nicht damit zu rechnen, daß erwachsene Fußgänger unvermittelt vor ihm auf die Straße treten und achtlos die Straße überqueren. Der Kraftfahrer darf darauf vertrauen, daß ein Fußgänger keine dahingehende Verkehrstorheit begeht, die Fahrbahn vor einem herannahenden Kraftfahrzeug zu betreten (vgl. BGH NJW 1959, 1547; 1968, 1537; VersR 1967, 582). Das Gebot des Fahrens auf Sicht nach § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 StVO findet für den Autofahrer dort seine Grenze, wo sich ein Hindernis bei Annäherung noch nicht auf der Fahrbahn befindet, sondern plötzlich von der Seite in seine Fahrspur gerät und erst dadurch den Anhalteweg verkürzt (BGH NJW 1974, 31; Senatsurteile vom 3. Juli 1989 - 12 U 4151/88 -, 20. Juni 1991 - 12 U 785/90 -, 25. November 1991 - 12 U 2501/90 und 28. November 1991 - 12 U 7197/90 - sowie in VersR 1972, 104, 105). Der Kraftfahrer muß daher seine Fahrweise ohne Hinzutreten besonderer Umstände auch im innerstädtischen Bereich, in dem mit verstärktem Fußgängerverkehr zu rechnen ist, nicht so einrichten, daß er von einem Augenblick zum anderen halten kann.

Vielmehr darf er grundsätzlich die im Stadtverkehr jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit einhalten, die im Bereich der Unfallstelle bei 50 km/h lag. Aus dem Gebot des Fahrens auf Sicht folgt insoweit nur, daß der Kraftfahrer durch Abbremsen oder, so dies möglich ist, gegebenenfalls auch durch Ausweichen sofort unfallverhütend reagieren muß, sobald er eine plötzlich auftretende Gefahrenlage bemerkt, oder bei gehöriger Aufmerksamkeit auch nur hätte erkennen können. Eine Ha...

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