Normenkette

BGB §§ 254, 276, 823, 842, 847; StVG § 9; StVO § 1 Abs. 2, § 25 Abs. 3, § 26

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 10.05.2000; Aktenzeichen 17 O 392/99)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 10.5.2000 verkündete, durch Beschluss vom 12.7.2000 berichtigte Urteil der Zivilkammer 17 des LG Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt 14.185 DM.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger überquerte am 9.1.1999 gegen 1.05 Uhr in B.-K. östlich des kreuzenden Straßenzuges L.-Straße/K.-Straße die südliche Richtungsfahrbahn der H. in südlicher Richtung, und zwar etwa 20 bis 25 Meter östlich der Fußgängerampel – vom östlichen Bereich des genannten Kreuzungsbereichs aus gesehen, wie es in dem angefochtenen Urteil heißt (UA S. 4). Die südliche Richtungsfahrbahn der H. ist von der nördlichen Richtungsfahrbahn durch einen Mittelstreifen getrennt; davor – westlich, aber noch vor der Kreuzung – befindet sich ein Mittelstreifendurchbruch zum Wenden. Etwa 20 bis 25 Meter östlich der Kreuzung besteht die südliche Richtungsfahrbahn der H. aus 3 Fahrstreifen.

Zur genannten Zeit befuhr der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) gegen Haftpflicht versicherten Pkw BMW Cabrio 320 mit dem amtlichen Kennzeichen B-… die südliche Richtungsfahrbahn der H. in östlicher Richtung und erfasste mit seinem Fahrzeug vorn rechts den Kläger. Letzterer erlitt einen Emenentiaausriss am rechten Knie, einen knöchernen Ausriss des vorderen Kreuzbandes und einen Riss des medialen Seitenbandes am rechten Knie (vgl. Berichte der Ärzte Dr. B. vom 28.4.1999 und Dr. H. vom 29.4.1999, Bl. 34 ff.).

1. Zutreffend hat das LG in seiner angefochtenen Entscheidung jede Haftung der Beklagten für den unfallbedingten, bereits eingetretenen materiellen sowie für den immateriellen Schaden, ferner für jeden künftigen materiellen Schaden abgelehnt.

Die Haftung des Beklagten zu 1) für den gegenwärtigen und künftigen materiellen Schaden des Klägers ergibt sich nicht schon daraus, dass sich der Unfall bei dem Betrieb des von ihm geführten Personenkraftwagens ereignet hat (vgl. § 7 Abs. 1 StVG, § 256 ZPO). Insbesondere hat der Kläger nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 1) dessen Körperschaden fahrlässig verschuldet hat (vgl. §§ 823 Abs. 1, 842 BGB), weshalb ihm ferner kein Schmerzensgeld zusteht (vgl. §§ 823, 847 Abs. 1 BGB). Doch selbst wenn den Beklagten zu 1) ein geringfügiges Mitverschulden treffen sollte, stünde diesem Umstand und der Haftung allein aus Betriebsgefahr – Letzteres bezieht sich lediglich auf den materiellen Schaden – das Ausmaß des Mitverschuldens des Klägers (§§ 9 StVG, 254 BGB bezüglich des materiellen Schadens und § 254 BGB allein hinsichtlich des immateriellen Schadens) entgegen. Mangels Haftung des Beklagten zu 1) entfällt auch diejenige der Beklagten zu 2) als Haftpflichtversicherer (vgl. § 3 Nr. 1 und Nr. 2 Pflichtversicherungsgesetz).

2. Für die Beurteilung des Verursachungsanteils des Beklagten zu 1) und des Mitverschuldens des Klägers ist Folgendes maßgebend:

Der Kraftfahrer hat im Straßenverkehr die gesamte vor ihm liegende Fahrbahn zu beobachten (BGH v. 24.2.1987 – VI ZR 19/86, MDR 1987, 658 = NJW 1987, 2377 = VerkMitt 1987, 82; KG, Urt. v. 6.3.1989 – 12 U 3045/88). Dabei ist zu berücksichtigen, ob seine Sicht auf den Fußgänger durch am Fahrbahnrand abgestellte oder zum fließenden Verkehr zu rechnende Fahrzeuge beeinträchtigt ist. Von den sich aus § 1 Abs. 2 StVO ergebenden Sorgfaltspflichten ist der Kraftfahrer nicht schon dadurch entbunden, dass der Fußgänger beim Überschreiten der Fahrbahn außerhalb geschützter Stellen (vgl. § 26 StVO) besonders sorgfältig sein muss; dieser hat sowohl beim Betreten als auch beim Überschreiten der Fahrbahn auf sich nähernde Fahrzeuge zu achten und den fließenden Verkehr zu berücksichtigen (§ 25 Abs. 3 StVO; KG DAR 1978, 107 [108]; VerkMitt 1985, 3 [4]; VerkMitt 1985, 68). Der Fußgänger hat also vor dem Betreten und beim Überschreiten der Fahrbahn besondere Vorsicht walten zu lassen. Denn der Fahrdamm dient in erster Linie dem Kraftfahrzeugverkehr. Der Fußgänger muss auf diesen achten und auf ihn Rücksicht nehmen. Er muss darauf bedacht sein, nicht in die Fahrbahn eines sich nähernden Fahrzeuges zu geraten (vgl. BGH VersR 1964, 846 [847]; v. 12.7.1983 – VI ZR 286/81, MDR 1984, 133 = VRS 65, 338 [340] = NJW 1984, 50 = DAR 1983, 389; KG VerkMitt 1992, 27 Nr. 30; KG, Urt. v. 6.3.1989 – 12 U 3045/88; Urt. v. 25.5.1998 – 12 U 3288/95). Wenn ein Fußgänger sich nicht entsprechend einrichtet, handelt er i.d.R. grob fahrlässig (vgl. BGH VersR 1964, 846 [847]; VersR 1967, 608; KG v. 17.1.1980 – 22 U 2502/79, VersR 1981, 263). Die Haftung des Kraftfahrers kann in einer derartigen Situation nur dann nicht vollständig zurücktreten, wenn er freie Sicht auf den Fußgänger hat (vgl. KG VerkMitt 1987, 86).

Das Verschulden eines Kraftfahrers kann ferner dann als gering zu beurteilen sein oder gar v...

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