Normenkette

UrhG § 15 Abs. 2 S. 2, §§ 50, 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 23.09.2022; Aktenzeichen 15 O 419/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. September 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 15 O 419/20 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 3. Januar 2023 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits der ersten und zweiten Instanz zu tragen.

3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin ist eine Fotoagentur, sie lizenziert Fotos für die tagesaktuelle Berichterstattung. Die Beklagte ist ein öffentlich-rechtlicher Rundfunksender. Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte durch Verlinkung im Wege des Framing am 18. Mai 2020 die urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Klägerin verletzt hat.

Für alle weiteren Einzelheiten des Sachverhalts nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 3. Januar 2023 (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) mit folgender - erst in der zweiten Instanz vorgetragenen und zwischen den Parteien unstreitigen - Ergänzung des Tatbestandes Bezug:

Im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verlinkung in der Form des Framing war das streitgegenständliche Foto mit Zustimmung der Klägerin auf anderen Webseiten im Internet ohne (technische) Zugangsbeschränkungen frei verfügbar. Diese Verfügbarkeit (mit Zustimmung der Klägerin) im Internet erfolgte u.a. durch RND, WDR, Funke Womengroup und Morgenpost Sachsen.

Das Landgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben. Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG in dem aus dem Tenor zu 1. ersichtlichen Umfang zu. Die Klägerin sei aktivlegitimiert. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Foto habe. Die Beklagte habe durch Einbettung des streitgegenständlichen Fotos in ihren Liveblog die Nutzungsrechte der Klägerin gemäß §§ 31 Abs. 3 Satz 1, 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG verletzt. Zwar sei hier nicht das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung verletzt (§§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 19a UrhG). Dafür sei Voraussetzung, dass Dritten der Zugriff auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk eröffnet werde, dass sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befinde. Das sei hier nicht der Fall. Die Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgestellten Lichtbildes mit der eigenen Internetseite mittels eines elektronischen Verweises (Links) stelle dagegen keine urheberrechtliche Nutzungshandlung des öffentlichen Zugänglichmachens dar, weil allein der Betreiber der fremden Internetseite, der das Lichtbild in das Internet eingestellt und dadurch öffentlich zugänglich gemacht habe, darüber entscheide, ob es der Öffentlichkeit zugänglich bleibe. Hier habe die Beklagte mittels Verlinkung das ursprünglich auf der Plattform Twitter wiedergegebene Foto auf ihren Liveblog eingebettet, ohne darüber entscheiden zu können, ob die Ausgangsnutzung öffentlich zugänglich bleibe.

Die Beklagte habe allerdings ein den Urhebern zustehendes unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe gemäß § 15 UrhG verletzt. Ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe sei in richtlinienkonformer Auslegung von § 15 Abs. 2 UrhG anzunehmen, soweit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG weitergehende Rechte als die in § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG benannten Rechte der öffentlichen Wiedergabe gewähre. Die Ausgangsnutzung des streitgegenständlichen Fotos auf der Plattform Twitter sei ohne Erlaubnis der Klägerin erfolgt. Die (Nach-)Lizenzierung an u.a. das ... ... (...) führe zu keinem anderen Ergebnis, weil das von der Beklagten verwendete Foto weder von dem ... noch den anderen Medien stamme, welche eine Lizenz erhalten hätten, sondern von der Plattform Twitter, welche das Foto ohne Erlaubnis des Nutzungsinhabers eingestellt habe. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei eine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG bei einer Verlinkung auf ein rechtswidrig ins Netz gestellten Werkes nur dann anzunehmen, wenn der Verlinkende Kenntnis von der Rechtswidrigkeit gehabt habe oder die Rechtswidrigkeit hätte kennen müssen. Das sei hier der Fall. Die Beklagte hätte die rechtswidrige Ausgangsnutzung auf der Plattform Twitter erkennen können. Dem stehe nicht entgegen, dass die Beklagte die Einbettung im Zusammenhang mit redaktionellen Tätigkeiten vorgenommen habe (sog. Presseprivileg). Denn die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit, die in Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert seien, könnten außerhalb der in Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG sowie §§ 44a ff. UrhG vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen keine Abweichung von den ausschließlichen Rechten des Urhebers zur Vervielfältigung und zur öffentliche Wiedergabe rechtfertigen...

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