Leitsatz (amtlich)

Lässt ein Leasingnehmer seit Erhalt der Widerrufsbelehrung mehr als sechs Jahre bis zum Widerruf des Leasingvertrages verstreichen, dann steht der Ausübung des -grundsätzlich unbefristeten - Widerrufsrechts jedenfalls dann der Einwand der Verwirkung und damit der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen, wenn die beiderseitigen Pflichten aus dem Leasingvertrag bereits vier Jahre vor Geltendmachung des Widerrufsrechtes vollständig erfüllt worden sind.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 21.03.2012; Aktenzeichen 2 O 533/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.3.2012 verkündete Urteil der Zivilkammer 2 des LG Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des LG ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung ist unbegründet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger den streitgegenständlichen Vertrag als Verbraucher oder Unternehmer unterzeichnet hat. Es kann auch dahin gestellt bleiben, ob die Beklagte vorliegend eine den Vorgaben des § 355 BGB a.F. entsprechende Widerrufsbelehrung erteilt hat oder nicht.

Der Senat teilt jedenfalls die Auffassung des LG, dass der Ausübung des - grundsätzlich unbefristeten - Widerrufsrechts des Klägers der Einwand der Verwirkung und damit der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegensteht.

Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde, und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (BGH, Urt. v. 18.10.2001 - I ZR 91/99, GRUR 2002, 280; BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 392/01, WM 2004, 1518, 1520, jeweils m.w.N.). Die erforderliche Zeitdauer, die seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts verstrichen sein muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 242 Rz. 93 m.w.N.). Zu berücksichtigen sind vor allem die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten. Ein Verhalten des Berechtigten, das einem konkludenten Verzicht nahe kommt, mindert die erforderliche Zeitdauer (BGH, Urt. v. 16.3.1979 - V ZR 38/75, WM 1979, 644, 647). Die Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten wird wesentlich bestimmt durch den Umfang seiner Vertrauenssituation und seinen Informationsstand (BGHZ 21, 83).

Nach diesen Vorgaben sieht der Senat das sog. Zeitmoment in Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger, nachdem ihm die Widerrufsbelehrung vom 20.3.2005 vorlag, mehr als 6 Jahre hat verstreichen lassen, bevor er den Widerruf erklärt hat, als erfüllt an. Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob er von dem trotz Fristablaufs tatsächlich - d.h. aus rechtlichen Gründen - fortbestehenden Widerrufsrecht Kenntnis hatte (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2007, - V ZR 190/06 -, NJW 2007, 2183 - Tz 8; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 242 Rz. 94). Das ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn es - wie hier - nicht um eine (vollständig) fehlende, sondern nur um eine formal missverständliche und allein deshalb nicht ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung geht (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 25.10.2000 - 9 U 59/00, NJW-RR 2001, 1279).

Angesichts der vollständigen, beiderseitigen Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag ist der Senat - mit dem LG - der Auffassung, dass auch das sog. Umstandsmoment erfüllt ist. Die Beklagte musste nach der bereits im Jahre 2007 erfolgten, vollständigen Erfüllung des Leasingvertrages nicht mehr mit einem Widerruf des Leasingvertrages rechnen, sondern durfte auf den Bestand der beiderseitigen Vertragserfüllung vertrauen (so auch OLG Köln, Urt. v. 25.1.2012 - I-13 U 30/11, 13 U 30/11 -, BKR 2012, 162; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2 März 2010 - I-24 U 136/09, 24 U 136/09 -, WM 2010, 2258). Dies gilt umso mehr, als die Tochter des Klägers unstreitig nach Erfüllung der beiderseitigen Pflichten aus dem Leasingvertrag im März 2007 das Fahrzeug gekauft und bei der Beklagten finanziert hat. Damit hat sich die Beklagte darauf eingerichtet, dass das Leasingverhältnis beanstandungsfrei abgewickelt worden war.

Dem steht nicht entgegen, dass § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. dem Verbraucher im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung grundsätzlich ein unbefristetes Widerrufsrecht einräumt. Dies bedeutet lediglich, dass das Widerrufsrecht des nicht ordnungsgemäß belehrten Verbrauchers keiner gesetzlichen Ausübungs- oder Ausschlussfrist (§ 355 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1 BGB) unterliegt, nicht aber, dass es ungeachtet der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gleichsam unbegrenzt ausgeübt werden könnte. Insoweit gelten für ein unbefristetes Widerrufsrecht prinzipiell die gleichen Beschränkungen wie für andere, nicht ...

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