Entscheidungsstichwort (Thema)

Fondsbeitritt und Kreditvertrag als verbundenes Geschäft über dieselbe Vertriebsorganisation. Bank als Schadensersatzverpflichteter wegen Täuschung über Rentabilität. Abtretung der Ansprüche gegen Prospektverantwortliche. Entbehrlichkeit der Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

a) Ist der Anleger bei einem kreditfinanzierten Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds über die Rentabilität des Fonds getäuscht worden, so kann er die ihm gegen die Gründungsgesellschafter und die sonst für die Täuschung Verantwortlichen zustehenden Schadensersatzansprüche auch gegenüber der Bank geltend machen, wenn der Fondsbeitritt und der Kreditvertrag ein verbundenes Geschäft i.S.d. § 9 VerbrKrG bilden. Ein verbundenes Geschäft liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der Fonds und die Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen. Die Bank hat den Anleger in diesem Fall so zu stellen, als wäre er dem Fonds nicht beigetreten und hätte den Kreditvertrag nicht abgeschlossen. Dabei sind die von ihm vereinnahmten Erträgnisse des Fonds und die Steuervorteile anzurechnen. Außerdem hat der Anleger seinen Fondsanteil und seine Schadensersatzansprüche gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter an die Bank abzutreten.

b) Um diese Rechtsfolgen auszulösen, braucht der Anleger seine Beteiligung an dem Fonds nicht diesem gegenüber zu kündigen. Es genügt, dass er sich gegenüber der Bank auf die Täuschung beruft.

 

Normenkette

VerbrKrG § 9 in der bis 30.9.2000 geltenden Fassung

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 09.07.2001; Aktenzeichen 6 U 148/00)

LG Stuttgart

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 9.7.2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin, die früher als A. AG firmierte, nimmt die Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch, mit dem die Beklagten den Beitritt des Beklagten zu 2) zur G. Verwaltungs-GbR, S. Straße 3 und 5, D., Fonds Nr. [im Folgenden: Fonds(-gesellschaft)], finanzierten.

Der Beklagte zu 2) unterzeichnete am 26.11.1991 eine "Beitrittserklärung", mit der er sich u.a. zum Fondsbeitritt mit einer Einlage von 100.000 DM nebst 5 % Agio verpflichtete. Außerdem unterschrieb er einen auf die Verwendung der einzuzahlenden Gelder bezogenen Treuhandvertrag, der von dem Treuhänder, einem Rechtsanwalt M. F., bereits am 10.7.1991 unterzeichnet worden war.

Die Fondsgesellschaft war zuvor von der Do. GmbH und deren Geschäftsführer W. Gr. gegründet worden. Gesellschaftszweck war der Erwerb, die Bebauung und die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks S. Straße 3 und 5 in D.. Die Einlage des Beklagten zu 2) sollte in vollem Umfang von der Klägerin finanziert werden. Dementsprechend unterzeichneten die Beklagten am 13.12.1991 einen Darlehensantrag. Danach sollte die Darlehensvaluta an den Treuhänder ausgezahlt werden. Zur Sicherung waren zwei Lebensversicherungen vorgesehen.

Die Klägerin zahlte die Darlehensvaluta in Höhe der Einlage und eines Agios von 5 % auf ein Konto des Treuhänders. In der Folgezeit konnten die in dem Fondsprospekt veranschlagten und von der Do. GmbH für die Dauer von fünf Jahren garantierten Mieten nicht erwirtschaftet werden. Die Do. GmbH stellte im Juni 1996 ihre Zahlungen ein. Ein Konkursantrag wurde mangels Masse abgelehnt. Der Initiator des Fonds, W. Gr., wurde 1999 wegen Kapitalanlagebetrugs in vier Fällen, u.a. hinsichtlich des Fonds, rechtskräftig verurteilt. Er hatte sich oder der Do. GmbH ohne Wissen der Anleger von der Grundstücksverkäuferin und Bauträgerin, der Firma Dom. Bauträger GmbH, einen Teil der in dem Fondsprospekt für den Erwerb und die Bebauung des Grundstücks veranschlagten 10,5 Mio. DM, nämlich etwa 4 Mio. DM, zurückzahlen lassen. Auf diese Weise war von dem insgesamt aufgebrachten Kapital des Fonds i.H.v. 14,07 Mio. DM weniger als die Hälfte in das Bauvorhaben geflossen.

Als diese Vorgänge bekannt wurden, erklärten die Beklagten mit Anwaltsschreiben v. 30.10.1996 gegenüber der Klägerin die Anfechtung des Darlehensvertrags wegen arglistiger Täuschung. Mit Schreiben v. 1.7.2000 kündigten sie die Fonds-Mitgliedschaft des Beklagten zu 2).

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Rückzahlung des unstreitig per 30.9.1996 offenen Darlehensbetrages von 117.479,86 DM nebst Zinsen. Die Beklagten fordern widerklagend die Rückgewähr der von ihnen an die Klägerin gezahlten Zinsen i.H.v. 19.573,63 DM sowie die Rückabtretung der Rechte aus den beiden Lebensversicherungen an den Beklagten zu 2).

Das LG hat Klage und Widerklage als derzeit nicht begründet abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG der Klage stattgegeben und die Widerklage unter Zurückweisung der hierauf bezogenen Anschlussberufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihre auf Abweisung der Klage und Stattgabe der Widerklage gerichteten Berufungsanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Nach dem vom Berufungsgericht bisher festgestellten Sachverhalt müssen die Beklagten keine weiteren Zahlungen an die Klägerin leisten und haben umgekehrt einen Anspruch auf Rückgewähr ihrer bereits erbrachten Leistungen. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 3, Abs. 2 S. 4 VerbrKrG (jetzt § 359 S. 1, § 358 Abs. 4 S. 3 BGB), das in seiner bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung auf den vorliegenden Fall Anwendung findet.

1. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt: Ob ein verbundenes Geschäft i.S.v. § 9 VerbrKrG vorliege, könne offen bleiben. Jedenfalls begründe eine Kündigung der Mitgliedschaft oder eine Anfechtung der Beitrittserklärung keine Einwendung, die der Anleger nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG dem Darlehensrückzahlungsanspruch der Bank entgegensetzen könne. Dafür sei vielmehr ein Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft erforderlich. Ein solcher Anspruch bestehe jedoch nicht, weil die Täuschungshandlung des Fondsinitiators den Mitgesellschaftern nicht zugerechnet werden könne. Diese seien ebenso wie der Gesellschafter, der sich von seiner Beteiligung lösen wolle, durch den Initiator getäuscht worden. Im Übrigen hätten die Beklagten ein etwaiges Kündigungsrecht auf Grund des Zeitablaufs verwirkt. Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

2. Der Darlehensvertrag der Parteien und der Gesellschaftsbeitritt des Beklagten zu 2) bilden ein verbundenes Geschäft i.S.d. § 9 Abs. 1 VerbrKrG.

a) Wie der erk. Senat bereits in seinem Urt. v. 21.7.2003 (BGH, Urt. v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHReport 2003, 1208 = MDR 2003, 1188 = NJW 2003, 2821 [2822] = ZIP 2003, 1592 [1593 f.]; ebenso Parallelsachen BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 374/02 und Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 393/02; Urt. v. 23.9.2003 - XI ZR 135/02, BGHReport 2003, 1413 = MDR 2004, 105 = WM 2003, 2232 [2233 f.]) entschieden hat, finden auf einen Kredit zur Finanzierung einer Beteiligung an einer Anlagegesellschaft gem. § 9 Abs. 4 VerbrKrG die Vorschriften des § 9 Abs. 1 bis 3 VerbrKrG Anwendung. Zwar ist ein Vertrag über den Beitritt zu einer Gesellschaft kein auf eine entgeltliche Leistung gerichtetes Geschäft. Anders als der Beitritt zu einem Verein oder einer Genossenschaft (dazu BGH, Urt. v. 20.1.1997 - II ZR 105/96, MDR 1997, 440 = NJW 1997, 1069 [1070]) ist der Beitritt zu einer Anlagegesellschaft aber mit Rücksicht auf den mit der Beteiligung verfolgten wirtschaftlichen Zweck und die Schutzbedürftigkeit des Anlegers einem Vertrag über eine entgeltliche Leistung gleichzustellen (i.E. ebenso Kessal-Wulf in Staudinger, BGB, Neubearb. 2001, VerbrKrG § 9 Rz. 45 und für das gleiche Tatbestandsmerkmal in § 1 Abs. 1 HaustürWG BGH v. 17.9.1996 - XI ZR 164/95, BGHZ 133, 254 [261 f.] = MDR 1997, 24; v. 2.7.2001 - II ZR 304/00, BGHZ 148, 201 [203] = MDR 2001, 1163 = BGHReport 2001, 727). Dem Anleger geht es nicht in erster Linie darum, Mitglied des Verbandes zu werden. Für ihn stehen vielmehr die mit der Mitgliedschaft verbundenen Steuervorteile und Gewinne - quasi als Gegenleistung zu der Einlagezahlung - im Vordergrund. Er ist daher ebenso wie der an einem entgeltlichen Vertrag beteiligte Verbraucher davor zu schützen, dass er den Kredit auch dann in voller Höhe zurückzahlen muss, wenn Störungen im Rahmen des finanzierten Geschäfts auftreten.

b) Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 VerbrKrG erfüllt. Der Darlehensvertrag diente der Finanzierung des Gesellschaftsbeitritts. Beide Verträge sind als wirtschaftliche Einheit anzusehen. Das wird nach § 9 Abs. 1 S. 2 VerbrKrG unwiderleglich vermutet, wenn sich der Kreditgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrags der Mitwirkung der Initiatoren des Fonds bedient. Das hat die Klägerin getan, indem sie dem von den Initiatoren des Fonds eingeschalteten Vermittlungsunternehmen ihre Vertragsformulare überlassen hat.

3. Damit kommt § 9 Abs. 3 VerbrKrG zur Anwendung. In seinem Urt. v. 21.7.2003 (BGH, Urt. v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHReport 2003, 1208 = MDR 2003, 1188 = NJW 2003, 2821 [2822] = ZIP 2003, 1592 [1593 f.]) hat der Senat entschieden, dass der Anleger gem. § 9 Abs. 3 S. 1 VerbrKrG die Rückzahlung des Darlehens insoweit verweigern kann, als ihm Ansprüche gegen die Gesellschaft zustehen. Darin erschöpfen sich die Wirkungen des § 9 Abs. 3 VerbrKrG jedoch nicht.

a) Allerdings ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, dass der Gesellschafter einer Publikumsgesellschaft, der durch eine arglistige Täuschung zu dem Gesellschaftsbeitritt veranlasst worden ist, seine Beitrittserklärung nicht mit Rückwirkung anfechten kann und nach einer ihm möglichen außerordentlichen Kündigung seiner Mitgliedschaft nicht berechtigt ist, von der Gesellschaft Zahlung von Schadensersatz wegen der Täuschung durch den Initiator oder Rückzahlung seiner Einlage unabhängig von etwaigen in der Zwischenzeit entstandenen Verlusten zu verlangen. Nach den Grundsätzen des fehlerhaften Gesellschaftsbeitritts hat er gegen die Gesellschaft vielmehr nur einen Anspruch auf Zahlung seines Abfindungsguthabens nach dem Stand zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung (BGHZ 26, 330 [334 ff.]). Diesen Anspruch kann er als Einwendung i.S.v. § 9 Abs. 3 S. 1 VerbrKrG dem Darlehensrückzahlungsanspruch der Bank entgegensetzen (BGH, Urt. v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHReport 2003, 1208 = MDR 2003, 1188 = NJW 2003, 2821 [2822 f.] = ZIP 2003, 1592 [1593 ff.]; H.P. Westermann, ZIP 2002, 240 [242 ff.]). Ob das auch dann gilt, wenn der Gesellschafter seine Beitrittserklärung nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufen hat, oder ob dann nach dem Schutzzweck dieses Gesetzes eine Ausnahme von den Grundsätzen des fehlerhaften Gesellschaftsbeitritts geboten ist, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Jedenfalls erschöpfen sich die Einwendungen des Anlegers nach § 9 VerbrKrG nicht in dem Anspruch auf Zahlung des Abfindungsguthabens gegen die Gesellschaft. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass im Verhältnis zu der den Gesellschaftsbeitritt finanzierenden Bank die Gründungsgesellschafter des Fonds und die Initiatoren, maßgeblichen Betreiber, Manager, Prospektherausgeber und sonst für den Anlageprospekt Verantwortlichen als Geschäftspartner auftreten. Nur mit ihnen oder dem von ihnen beauftragten Vertriebsunternehmen hat die Bank im Vorfeld der Anlegerwerbung zu tun, nicht dagegen mit der Gesellschaft oder den übrigen - ebenfalls getäuschten - Anlagegesellschaftern. Nur den Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschaftern bzw. dem Vertriebsunternehmen überlässt die Bank auch ihre Vertragsformulare, mit denen dann die Darlehensverträge der einzelnen Anlagegesellschafter geschlossen werden. Das rechtfertigt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter auch im Rahmen des § 9 VerbrKrG als Geschäftspartner anzusehen. Die dem Verbundgeschäft zu Grunde liegende Dreiecksbeziehung Kunde - Verkäufer - Bank erschöpft sich daher nicht in den Beziehungen zwischen dem Anleger, der Gesellschaft und der Bank. Vielmehr sind auch die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter wie ein Verkäufer zu behandeln. Die Ansprüche, die dem Anleger gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter zustehen, kann er daher ebenfalls gem. § 9 Abs. 3 S. 1 VerbrKrG im Verhältnis zu der Bank geltend machen.

b) Der Beklagte zu 2) hat gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter des Fonds, die Do. GmbH und deren Geschäftsführer W. Gr., einen Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung i.e.S. (vgl. BGH v. 24.4.1978 - II ZR 172/76, BGHZ 71, 284; v. 6.10.1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 [340 ff.] = MDR 1981, 648; v. 22.3.1982 - II ZR 114/81, BGHZ 83, 222 [223 f.] = MDR 1982, 644), aus Verschulden bei Vertragsschluss (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1994 - II ZR 95/93, MDR 1995, 275 = ZIP 1994, 1851 [1852]) und aus § 823 Abs. 2 BGB, § 264a StGB, in Bezug auf die GmbH jeweils i.V.m. § 31 BGB. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist W. Gr. wegen Kapitalanlagebetrugs, u.a. im Zusammenhang mit dem hier betroffenen Fonds, rechtskräftig verurteilt worden. Anhaltspunkte dafür, dass diese Verurteilung zu Unrecht erfolgt sein könnte oder dass gerade der Beklagte zu 2) nicht zu den Betrugsopfern gehört haben könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

c) Die gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter des Fonds gerichteten Schadensersatzansprüche sind darauf gerichtet, den Beklagten zu 2) so zu stellen, als wäre er der Gesellschaft nicht beigetreten, und als hätten die Beklagten mit der Klägerin keinen Darlehensvertrag geschlossen. In Bezug auf die Klägerin folgt daraus, dass der Beklagte zu 2) ihr nur die Fondsbeteiligung und in entsprechender Anwendung des § 255 BGB die ihm gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter des Fonds zustehenden Schadensersatzansprüche abzutreten hat. Die Beklagten müssen dagegen die Darlehensvaluta, die nicht an sie, sondern an den Treuhänder geflossen ist, der Klägerin nicht zurückzahlen. Umgekehrt haben sie im Wege des sog. Rückforderungsdurchgriffs entsprechend § 9 Abs. 2 S. 4 VerbrKrG (vgl. BGH, Urt. v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHReport 2003, 1208 = MDR 2003, 1188 = NJW 2003, 2821 [2823] = ZIP 2003, 1592 [1595]) einen Anspruch gegen die Klägerin auf Rückgewähr der von ihnen auf Grund des Darlehensvertrags erbrachten Leistungen.

d) Diese Rechte der Beklagten sind nicht verwirkt.

Eine Verwirkung tritt nur dann ein, wenn sich der Anspruchsgegner wegen der Untätigkeit des Anspruchsinhabers über einen gewissen Zeitraum hinweg ("Zeitmoment") bei objektiver Betrachtung darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dieser werde von seinem Recht nicht mehr Gebrauch machen ("Umstandsmoment"), und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (BGH, Urt. v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHReport 2003, 1208 = MDR 2003, 1188 = NJW 2003, 2821 [2823] = ZIP 2003, 1592 [1594 f.]). Ob das hier in Bezug auf ein mögliches Kündigungsrecht des Beklagten zu 2) gegenüber der Gesellschaft anzunehmen ist, kann offen bleiben. Insoweit kommt es nämlich nicht auf die erst im Juli 2000 erfolgte Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses an. Das Kündigungsrecht kann im Falle eines verbundenen Geschäfts auch dadurch ausgeübt werden, dass der getäuschte Anleger lediglich dem Finanzierungsinstitut mitteilt, er sei durch Täuschung zum Erwerb der Beteiligung veranlasst worden, und ihm die Übernahme seines Gesellschaftsanteils anbietet (BGH, Urt. v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHReport 2003, 1208 = MDR 2003, 1188 = NJW 2003, 2821 [2823] = WM 2003, 1762 [1784] = ZIP 2003, 1592 [1595]). Die Beklagten haben den Darlehensvertrag bereits Ende Oktober 1996 gegenüber der Klägerin angefochten und ihr die Fondsbeteiligung zur Verfügung gestellt. Das ersetzte im Verhältnis zur Klägerin die Kündigung gegenüber der Gesellschaft. Im Übrigen sind hier entscheidend nicht die aus dem Kündigungsrecht folgenden Ansprüche, sondern die davon zu unterscheidenden Schadensersatzansprüche des Beklagten zu 2) gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter. Dass diese Ansprüche verwirkt sein könnten, wird von der Klägerin nicht geltend gemacht und erscheint auch fern liegend.

II. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, sondern muss die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückverweisen. Es fehlt nämlich an Feststellungen dazu, ob und ggf. in welchem Umfang der Beklagte zu 2 aus der Gesellschaftsbeteiligung Vermögensvorteile erlangt hat.

Wird ein kreditfinanzierter Gesellschaftsbeitritt nach § 9 VerbrKrG rückabgewickelt, kann der Anleger nur diejenigen Zahlungen von der Bank zurückverlangen, die er aus eigenen Mitteln erbracht hat, ohne dabei auf seine Gesellschaftsbeteiligung zurückzugreifen. Soweit er dagegen nur Gewinnanteile - etwa in Form von Mieterträgen - oder sonstige ihm aus der Fondsbeteiligung erwachsene Vermögensvorteile an die Bank weitergeleitet hat, fehlt es an einem Schaden. Hat er derartige Vermögensvorteile sogar vereinnahmt, muss sein Zahlungsanspruch gegen die Bank nach den Regeln des Vorteilsausgleichs entsprechend gekürzt werden. Andernfalls würde er im Rahmen der Rückabwicklung besser gestellt, als er stehen würde, wenn er der Gesellschaft niemals beigetreten wäre.

Das Berufungsgericht wird insoweit die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Dabei kann auch geklärt werden, ob die Beklagten - wie von der Klägerin behauptet - in den Genuss von Steuervorteilen gekommen sind, denen keine Nachzahlungsansprüche des Finanzamts gegenüberstehen und die deshalb im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen sind (vgl. BGH v. 22.3.1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103 [113 ff.]; v. 6.10.1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 [347] = MDR 1981, 648; Loritz/Wagner, ZfIR 2003, 753).

III. Vorsorglich weist der Senat für den Fall, dass die Beklagten ihren vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten Vortrag, sie seien zum Fondsbeitritt und Abschluss des Darlehensvertrags in einer Haustürsituation bestimmt worden, in der neuen Berufungsverhandlung wiederholen sollten, auf die Ausführungen zu diesem Problemkreis in seinem Urteil vom heutigen Tage in der Parallelsache II ZR 395/01 (BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 395/01) hin.

 

Fundstellen

DB 2004, 1664

DStR 2004, 1354

WPg 2004, 869

NJW 2004, 2735

NWB 2004, 1975

NWB 2004, 2138

BGHR 2004, 1292

EWiR 2004, 1057

JurBüro 2005, 51

NZM 2004, 669

WM 2004, 1518

ZfIR 2004, 654

ZBB 2004, 320

BBV 2004, 39

JWO-VerbrR 2004, 330

LMK 2004, 179

UM 2004, 284

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