Leitsatz (amtlich)

1. Ein Gesellschafter ist zur Geltendmachung eines der Gesellschaft zustehenden Anspruchs im einstweiligen Verfügungsverfahren nur dann prozessführungsbefugt, wenn dies für die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist.

2. Die Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses kann nicht auf die fehlende Berücksichtigung der Einladungsform des § 51 Abs. 1 S.1 GmbHG gestützt werden, wenn eine hierauf beruhende Beeinträchtigung der Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte eines Gesellschafters nicht festgestellt werden kann.

3. Ein Einberufungsverlangen nach § 50 GmbHG wird nicht zwangsläufig dadurch erledigt, dass zwischen Verlangen und Ausübung des Selbsthilferechts eine Gesellschafterversammlung stattfindet, die auf eine anderes Verlangen gestützt wird.

4. Ein wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung eines Geschäftsführers kann sich ergeben aus seiner andauernden Verhinderung bzw. Nichteinladung zu einer gebotenen Gesellschafterversammlung.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 18.07.2022; Aktenzeichen 95 O 40/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin zu 2. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18.07.2022, Az. 95 O 40/22, teilweise abgeändert und dem Verfügungsbeklagten zu 1. bis zu einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren über die Wirksamkeit der Abberufung des Verfügungsbeklagten zu 1. durch den Gesellschafterbeschluss vom 2. September 2022 im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 250.000 EUR oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - untersagt, als Geschäftsführer der Verfügungsklägerin zu 2. aufzutreten und in ihrem Namen Erklärungen abzugeben oder Rechtsgeschäfte vorzunehmen, soweit er hierbei nicht mit Zustimmung der Verfügungsklägerin zu 1. oder gemeinsam mit einem weiteren auf Vorschlag der Verfügungsklägerin zu 1. zu bestellenden Geschäftsführer der Verfügungsklägerin zu 2. handelt.

2. Im Übrigen werden die Berufungen der Verfügungsklägerinnen zurückgewiesen.

3. Die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsbeklagten zu 2. haben die Verfügungsklägerinnen je zu 50 % zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin zu 1. hat sie selbst zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin zu 2. hat sie selbst zu 80 % und der Verfügungsbeklagte zu 1. zu 20 % zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfügungsbeklagten zu 1. hat er selbst zu 10 %, die Verfügungsklägerin zu 2. zu 40 % und die Verfügungsklägerin zu 1. zu 50 % zu tragen.

Die Gerichtskosten hat der Verfügungsbeklagte zu 1. zu 7 %, die Verfügungsklägerin zu 2. zu 43 % und die Verfügungsklägerin zu 1. zu 50 % zu tragen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 542 Abs. 2 Satz 1, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die Berufungen der Verfügungsklägerinnen sind zulässig, in der Sache ist nur die Berufung der Verfügungsklägerin zu 2. teilweise erfolgreich.

A. Die Berufungen der Verfügungsklägerinnen sind zulässig, insbesondere sind beide Berufungen innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt und innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß begründet worden.

B. Nur die Berufung der Verfügungsklägerin zu 2. hat in der Sache teilweise Erfolg. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen teilweise eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sind teilweise zulässig und teilweise begründet.

I. Die Anträge der Verfügungsklägerin zu 2. sind zulässig, die Anträge der Verfügungsklägerin zu 1. hingegen nur teilweise.

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus der unstreitig gegebenen örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gemäß §§ 12, 13, 17 Abs. 1 ZPO. Rechte aus der Investitionskooperationsvereinbarung vom 18. März 2016 (Anlagen ASt 6, ASt 7), die in Ziffer 37 eine Zuständigkeitsvereinbarung für Gerichte in London enthält, machen die Parteien nicht geltend. Eine entsprechende Gerichtsstandvereinbarung enthält die Gesellschaftervereinbarung (Anlage ASt 8, ASt 9) nicht.

2. Auch die Regelung in Ziffer 36 der Investitionskooperationsvereinbarungen, wonach Streitigkeiten zwischen den Parteien zunächst einem obligatorischen Mediationsverfahren in London unterzogen werden, steht als Schiedsgerichtabrede gemäß § 1033 ZPO aufgrund der geltend gemachten Eilbedürftigkeit einem einstweiligen Verfügungsverfahren von vornherein nicht entgegen. Inwieweit die beiden vorgenannten Vereinbarungen (Anlagen ASt 6 bis 9) überhaupt die Verfügungsklägerin zu 2., die nicht Vertragspartei ist, binden könnten, bedarf mithin keiner Erörterung.

3. Die vorhergehende rechtskräftige Entscheidung, mit der die von den Verfügungsklägerinnen im Jahr 2021 beantragte einstweilige Verfügung im Berufungsverfahren vom 2. Zivilsenat versagt worden ist (KG, Urteil vom 16. Mai 2022, 2 U 132/21), steht der Zulässigkeit der hiesige...

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