Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 26.11.1997; Aktenzeichen 97.O.232/97)

 

Tenor

1 Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin vom 26. November 1997-97 O 232/97 – wird zurückgewiesen.

2 Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Abgekürzte Fassung gemäß § 543 Abs. 1, 1. Alternative ZPO.

Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Die Klagebefugnis des Antragstellers im Bereich der Arzneimittel folgt aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 19. Mai 1998, AZ: I ZR 173/95). Dies ist nicht im Streit.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die einstweilige Verfügung vom 27. August 1997 ist wirksam vollzogen worden (§§ 929 Abs. 2, 936 ZPO).

1.

Auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügungen sind durch Parteizustellung förmlich zu vollziehen (BGHZ 120, 82; Zöller-Vollkommer, ZPO, 20. Aufl., § 129 Rdn. 18). Für eine internationale Zustellung im Parteibetrieb ist ein Gesuch der Partei an den Vorsitzenden des Prozeßgerichts erforderlich, §§ 199, 202 ZPO (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 199 Rdn. 42). Dieses Gesuch war hier schon mit der Antragsschrift gestellt worden.

Die zeitlichen Verzögerungen aus der Durchführung der Auslandszustellung durch die staatlichen Stellen gehen gemäß § 207 Abs. 1 ZPO nicht zu Lasten des Antragstellers. Die Zustellung ist (drei Wochen nach dem Ende der Vollziehungsfrist) "demnächst” erfolgt.

aa)

Ob eine Zustellung als „demnächst im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebes geschützt werden. Denn derartige Verzögerungen liegen außerhalb ihres Einflußbereichs. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen anzulasten, die sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozeßführung hätten vermeiden können. Eine Zustellung „demnächst” nach Einreichung oder Anbringung des zuzustellenden Antrages oder der zuzustellenden Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozeßbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr „demnächst” erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozeßbevollmächtigter durch nachlässiges – auch leicht fahrlässiges – Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (BGH, NJW 1991, 1746; NJW 1992, 1820, 1821). Wird alsbald zugestellt, also etwa innerhalb von zwei bis vier Wochen (einerseits BGH, NJW 1983, 1050, 1052: 26 Tage hinnehmbar; andererseits BGH, VersR 1983, 662: drei Wochen zu lang), dann spielen etwaige Nachlässigkeiten des Antragstellers keine Rolle, da sich das Verhalten des Antragstellers im Ergebnis nicht nachteilig ausgewirkt hat (Palandt-Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 209 Rdn. 7 m.w.N.). Eine zurechenbare Verzögerung der Zustellung um bis zu 14 Tagen ist als geringfügig anzusehen und daher im Rahmen des § 270 Abs. 3 ZPO unschädlich (vgl. BGH, NJW 1994, 1073, 1074).

bb)

Diese Grundsätze zu §§ 270 Abs. 3, 693 Abs. 2 ZPO können im Ansatz entsprechend auf den hier maßgeblichen § 207 Abs. 1 ZPO übertragen werden. Auch § 207 Abs. 1 ZPO erlaubt eine Rückwirkung, weil eine weitere Behörde in das Zustellungsverfahren eingeschaltet ist und der Antragsteller auf deren Verhalten kein Einfluß hat (Zöller-Stephan, a.a.O., § 207 Rdn. 1). Die oben genannten BGH-Entscheidungen haben sich allerdings auf Inlandszustellungen bezogen. Da die Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist erfolgt sein muß, darf bei Auslandszustellungen ein längerer Zeitraum veranschlagt werden, innerhalb dessen die Zustellung noch „alsbald” erfolgt ist. Insoweit ist ein Zeitraum von etwa drei Wochen – wie vorliegend – ohne weiteres hinzunehmen, zumal dem Antragsteller keinerlei Verschulden anzulasten ist.

Die Zustellung entsprach im übrigen dem Verfahrensrecht der Niederlande.

2.

Dem ordnungsgemäßen Vollzug steht auch das Abkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) nicht entgegen.

a)

Zwar scheidet nach der Rechtsprechung des EuGH eine Anerkennung der einstweiligen Verfügung vom 27. August 1997 gemäß Art. 25 EuGVÜ in den Niederlanden aus, weil sie ohne Anhörung der Antragsgegnerin ergangen ist (vgl. Zöller-Geimer, a.a.O., Anh. I Art. 26 Rdn. 4 m.w.N.). Dies berührt allerdings nicht die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland. Insoweit wird die Antragsgegnerin auch nicht schlechter gestellt als alle anderen von einer in Deutschland erlassenen einstweiligen Verfügung Betroffenen. Eine fehlende Anerkennungsfähigkeit im EG-Ausland wirkt sich weder nach den EuGVÜ noch n...

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