Leitsatz (amtlich)

Zu den Grundsätzen der Haftung des Kfz-Haftpflichtversicherers nach § 249 BGB für Kosten einer ärztlich verordneten Akupunkturbehandlung zur Linderung von Schmerzen nach HWS-Verletzung.

Zwischen den vom Schädiger nach § 249 BGB zu erstattenden Kosten einer notwendigen Heilbehandlung und den vom gesetzlichen Krankenversicherer wegen desselben Schadensereignis geschuldeten Sozialleistungen besteht sachliche Kongruenz.

Zur Aktivlegitimation des Verletzten zur Geltendmachung derartiger Kosten vor dem Hintergrund des § 116 SGB X.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 30.12.2002; Aktenzeichen 24 O 469/01)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.12.2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin – 24 O 469/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die durchgeführte Akupunkturbehandlung aus §§ 7, 17 StVG, 823 Abs. 1 und 2 BGB, § 3 Abs. 1 PflVersG steht der Klägerin gegen die Beklagten nicht zu.

a) Es kann dahinstehen, ob die Klägerin, wie sie nunmehr behauptet, die streitgegenständlichen Rechnungen der behandelnden Ärztin Dr. L. für die Akupunkturbehandlung ausgeglichen hat, denn auch, wenn dies nicht der Fall wäre, würde dieser Umstand einem Zahlungsanspruch der Klägerin nicht entgegenstehen. Zwar besteht der Schaden insoweit zunächst in einer Belastung mit einer Verbindlichkeit, so dass nach allgemeinen Grundsätzen über § 249 BGB nur Freistellung beansprucht werden könnte (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 249 Rz. 1). Der Freistellungsanspruch geht jedoch gem. § 250 BGB in einen Zahlungsanspruch über. Eine Fristsetzung nach § 250 BGB war im vorliegenden Fall entbehrlich, da die Beklagten durch ihr Prozessverhalten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben, dass sie eine Naturalrestitution ernsthaft und endgültig verweigern (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 250 Rz. 2, m.w.N.).

b) Der Senat hält es auch für denkbar, dass die Aufwendungen für eine Akupunkturbehandlung im Einzelfall nach § 249 BGB als Kosten der Heilbehandlung erstattungsfähig sind. Als Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung oder auch auf Linderung der Krankheit abzielt (OLG Karlsruhe v. 11.7.1997 – 10 U 15/97, OLGReport Karlsruhe 1997, 22 = VersR 1998, 1256 ff.). Allerdings sind grundsätzlich nur solche Behandlungen anzuerkennen, die nach Auffassung der Schulmedizin wissenschaftlich allgemein als erfolgversprechend anerkannt sind. Von diesem Grundsatz sind jedoch dann Ausnahmen zu machen, etwa wenn bei unheilbaren Krankheiten Behandlungsmethoden zur Linderung fehlen (OLG Karlsruhe v. 11.7.1997 – 10 U 15/97, OLGReport Karlsruhe 1997, 22 = VersR 1998, 1256 ff.). Dasselbe muss nach Auffassung des Senats auch dann gelten, wenn die Schulmedizin für ein bestimmtes Leiden zwar Behandlungsmethoden entwickelt hat, diese jedoch im konkreten Fall – wie es hier die Klägerin geltend macht, beispielsweise wegen Unverträglichkeit –, ungeeignet sind (BSG, Urt. v. 23.3.1988 – 3/8 RK 5/87). Voraussetzung ist jedoch, dass die angewandte „Außenseitermethode” auf einem nach medizinischen Erkenntnisse nachvollziehbaren Ansatz beruht und bei einer ex amte Betrachtung zumindest eine gewisse Aussicht auf Erfolg (Heilung, Linderung, Verhinderung von weiterer Verschlechterung) verspricht, wobei es als sachgerecht erscheint, die Anforderungen an den möglichen Behandlungserfolg vom Grad der Schwere der Verletzung/Erkrankung und den damit verbundenen Leiden des Geschädigten abhängig zu machen (vgl. OLG Karlsruhe v. 11.7.1997 – 10 U 15/97, OLGReport Karlsruhe 1997, 22 = VersR 1998, 1256, sowie zu den Musterbedingungen der privaten Krankenversicherung BGH v. 23.6.1993 – IV ZR 135/92, MDR 1993, 841 = NJW 1993, 2369; v. 10.7.1996 – IV ZR 133/95, MDR 1996, 1125 = NJW 1996, 3074; v. 30.10.2002 – IV ZR 60/01, MDR 2003, 217 = BGHReport 2003, 109 = NJW 2003, 294; OLG Frankfurt, Urt. v. 25.9.2002 – 7 U 120/97, OLGReport Frankfurt 2003, 42 ff.; OLG Hamm, Urt. v. 18.10.2000 – 13 U 115/00, OLGReport Hamm 2002, 67). Soweit der Senat in seinem Urteil vom 10.1.2000 (KG, Urt. v. 10.1.2000 – 12 U 4698/98) die Kosten für eine Behandlung nach einer so genannten Außenseitermethode im Rahmen des § 249 BGB für grundsätzlich nicht erstattungsfähig angesehen hat, wird daran nicht mehr festgehalten.

c) Die Klage ist jedoch deshalb unbegründet, weil die Kosten einer notwendigen Heilbehandlung der Klägerin aufgrund des Verkehrsunfalles vom 26.4.1998 gem. § 116 SGB X auf den Träger der Sozialversicherung übergegangen sind. Hierauf haben die Beklagten bereits in erster Instanz hingewiesen. Wie sich aus den von der Klägerin selbst eingereichten Unterlagen ergibt, ist diese bei der Techniker Krankenkasse, einer g...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge