Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgeltungsumfang des Schmerzensgeldes bei Prozessvergleich

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Abgeltungsumfang des Schmerzensgeldes, wenn nicht durch Urteil darüber entschieden wird, sondern die Parteien ein Schmerzensgeld im Prozessvergleich vereinbart haben.

 

Normenkette

BGB § 847

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 4 O 51/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels i.Ü. das am 30.3.2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Münster teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.186,66 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 8.9.1997 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen die Klägerin 86 % und die Beklagte 14 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Beklagte i.H.v. 2.186,66 DM und die Klägerin um 13.338,77 DM.

 

Tatbestand

Die heute 58 Jahre alte Klägerin kam am 2.1994 auf der vereisten Treppe des Hauses der Beklagten in M.L. zu Fall. Sie erlitt eine Fraktur des Wadenbeins in der Nähe des rechten Sprunggelenks und eine Ellenbogenprellung rechts. Sie hat die Beklagte in einem Vorprozess (4 O 260/94 LG Münster) wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch genommen und die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich sämtlicher materieller und immaterieller Schäden begehrt. Am 5.5.1995 schlossen die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich, in dem es u.a. heißt:

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagte dem Grunde nach zu 3/4 für alle Folgen des Unfalls der Klägerin vom 2.1995 haftet.

2. Die Beklagte verpflichtet sich, zur Abgeltung sämtlicher in diesem Rechtsstreit von der Klägerin geltend gemachten und bezifferten materiellen Schadensersatzansprüche an die Klägerin einen Betrag von 5.850 DM zu zahlen.

3. Die Beklagte verpflichtet sich ferner, zur Abgeltung des Schmerzensgeldanspruchs der Klägerin über die gezahlten 7.500 DM hinaus weitere 3.750 DM zu zahlen

4. Die Klägerin verzichtet auf ihre Mehrforderungen, die Beklagte nimmt diesen Verzicht an.

5. Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 2.1994 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen oder durch diesen Vergleich abgegolten sind.

6. …

7. …”

Die Klägerin verlangt nunmehr weiteren Schadensersatz (im Wesentlichen Fahrt- und Therapiekosten) von jetzt noch 5.525,43 DM und die Zahlung eines weiteren angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 10.000 DM.

Die Klage ist zunächst beim AG M. anhängig gewesen. Dieses hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen, fachorthopädischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. F., der im Auftrag des LG später ein ergänzendes Gutachten erstattet hat. Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Die Klägerin beantragt, abändernd

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 5.525,43 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (8.9.1997) zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die Ursächlichkeit des Unfalls für die behaupteten Aufwendungen und meint, die immateriellen Schäden seien mit der im Vergleich vereinbarten Zahlung abgegolten.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten 4 O 260/94 LG Münster lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Der Senat hat die Klägerin persönlich gehört und Beweis erhoben durch mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen Dr. med. F. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat nur in geringem Umfang Erfolg. Die Klage ist überwiegend unbegründet.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gem. § 823 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz i.H.v. 2.186,66 DM.

1. Durch den Vergleich vom 5.5.1995 sind nur diejenigen materiellen Schäden abgegolten, die in dem Vorprozess geltend gemacht waren. Dazu gehören die hier streitigen Positionen nicht. Ersatzfähig sind die geltend gemachten Kosten (zu 3/4), soweit sie unfallursächlich waren.

2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme handelt es sich bei den streitigen Kosten teilweise um unfallbedingte Aufwendungen.

a) Wie der Sachverständige Dr. med. F. überzeugend dargelegt hat, waren Krankengymnastik und Massagen grundsätzlich sachgerecht. Die außerordentlich große Anzahl der Behandlungen erklärt sich damit, dass die Verletzungsfolgen überdurchschnittlich gravierend waren. Da die Behandlungen in allen Fällen aufgrund ärztlicher Verordnung erfolgten, ist davo...

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