Leitsatz (amtlich)

Können tatsächlich erhobene Befunde oder Befundträger nicht mehr vorgelegt werden, so muss die Behandlungsseite darlegen und beweisen, dass sie diesen Umstand nicht verschuldet hat. Ist der Verbleib von Befundträgern ungeklärt, so geht dies grundsätzlich beweismäßig zu Lasten des Arztes.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 831, 847 i.V.m; EGInsO Art. 1035.1; KO § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 2, § 47; VVG § 157

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 4 O 593/98)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.2.2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Essen – unter Zurückweisung der Berufung i.Ü. – abgeändert.

Der Beklagte zu 3) wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 250.000 DM nebst 4 % Zinsen auf den Betrag von 120.000 DM ab dem 4.2.1999 und nebst 8,42 % Zinsen auf diesen Betrag von 120.000 DM ab dem 1.5.2000 zu zahlen mit der Maßgabe, dass die Leistung auf die von dem Haftpflichtversicherer des verstorbenen Prof. Dr. … zu zahlende Entschädigung begrenzt ist.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 3) verpflichtet ist, der Klägerin den zukünftigen materiellen und weiteren zukünftigen, nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden aus der Entfernung der linken Brust (Operation am 23.3.1994) und der Entfernung der rechten Brust (Operation am 30.3.1995) zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind und mit der Maßgabe, dass die Leistung auf die von dem Haftpflichtversicherer des verstorbenen Prof. Dr. … zu zahlende Entschädigung begrenzt ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und der Beklagte zu 3) jeweils zur Hälfte. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) voll. Die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und seine eigenen außergerichtlichen Kosten trägt der Beklagte zu 3). Im Übrigen trägt die Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte zu 3) kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 300.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten zu 1) und 2) durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. jeweils 10.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 1) und 2) zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Allen Parteien bleibt nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch durch eine unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.

 

Tatbestand

Die am 8.3.1964 geborene Klägerin tastete im Jahre 1992 einen Knoten in ihrer linken Brust und begab sich in die Behandlung ihrer Frauenärztin Dr. … . Auf deren Anraten ließ die Klägerin durch einen Radiologen eine Mammographie erstellen. Dessen Befund vom 10.3.1994 ergab eine beidseits fibrozystische Mastopathie ohne Malignomnachweis. Die Klägerin wurde in die Klinik der Beklagten zu 1) überwiesen, wobei der Überweisungsschein den Hinweis enthielt: „kleine Mammaresistenz rechts”. Dort wurde am 14.3.1994 ein druckdolenter Knoten in der linken Brust mit einem Durchmesser von ca. 0,5 cm festgestellt. Im Krankenhaus der Beklagten zu 1) wurden mehrere Untersuchungen durchgeführt. Es wurde ein EKG gefertigt, ein Röntgenthorax, eine Sonographie, und es wurden die Laborparameter festgestellt. Die Mammographie war unauffällig. Sonographisch war kein konkreter suspekter Focus abgrenzbar. Am 15.3.1994 wurde eine Probeexcision links durchgeführt. Das Gewebe wurde dem am 2.6.1997 verstorbenen Prof. Dr. … zur histologischen Begutachtung übersandt. Dieser stellte nach Durchführung einer Schnellschnittuntersuchung und ergänzender Untersuchung des Materials nach Paraffineinbettung ein infiltrierendes duktales Mammakarzinom mit einer Größe von 1,1 cm und einem minimalen Randabstand von 0,1 cm fest sowie eine Mastopathie Grad I bis II. Am 23.3.1994 entfernte der Beklagte zu 2) bei der Klägerin die linke Brust und setzte eine sog. Expanderprothese ein. Das entnommene Gewebe wurde Prof. Dr. … zur Untersuchung übersandt. Dieser stellte am 24.3.1994 tumorfreie Absetzungsränder, eine Mastopathie Grad II und i.Ü. karzinomfreies Mammagewebe sowie tumorfreie Lymphknoten fest. In der Zeit vom 30.8. bis zum 19.9.1994 wurde bei der Klägerin ein Prothesenwechsel durchgeführt.

Im November 1994 ertastete die Klägerin einen Knoten in der rechten Brust. Sie wurde am 15.12.1994 erneut in die Klinik der Beklagten zu 1) eingewiesen. Nach Durchführung weiterer Untersuchungen, u.a. einer Mammographie, erfolgte am 17.12.1994 eine Probeexcision der rechten Brust. Auch diese Probe wurde Prof. Dr. … zur Untersuchung übersandt, der ein nicht invesives duktales Mammakarzinom mit einer Größe von 0,4 cm und einem minimalen Randabstand von 0,2 cm feststellte. Als die Klägerin Kenntnis von diesem Befund erhielt, begab sie sich in die Beratung weiterer ...

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