Leitsatz (amtlich)

Eine Überschuldung der Insolvenzschuldnerin i.S.d. §§ 64 Abs. 1 S. 2 GmbHG und 19 InsO liegt vor, wenn die verfügbaren Geldmittel nicht ausreichen, die fälligen Verbindlichkeiten ganz oder im Wesentlichen zu decken. Um Zahlungsunfähigkeit darzutun, bedarf es also näherer Feststellungen über die fälligen Verbindlichkeiten und über die dem Schuldner zu Verfügung stehenden Geldmittel zu deren Begleichung. Überschuldung einer GmbH liegt vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft deren Schulden nicht mehr deckt, d.h. die Passiva die Aktiva übersteigen. Die Feststellung der Überschuldung erfordert eine Gegenüberstellung der Vermögenswerte der Gesellschaft und ihrer Schulden.

Für eine positive Fortführungsprognose ist subjektiv ein Fortführungswille zu fordern und objektiv eine Fortführungsmöglichkeit (BK-InsO/Goetsch, § 19 InsO, Rz. 20). Wenn noch nicht einmal ein Fortführungswille festgestellt werden kann, kann es auf eine Fortführungsprognose letztlich nicht ankommen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 11.01.2005; Aktenzeichen 21 O 523/04)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 09.10.2006; Aktenzeichen II ZR 303/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 11.1.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 21 des LG Berlin - 21 O 523/04 - abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 90.338,32 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 10.588,32 EUR seit dem 28.9.2004 und aus 79.750 EUR seit dem 18.11.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.

 

Gründe

A. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort von den Parteien gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das am 11.1.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 21 des LG Berlin - 21 523/04 Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 4.2.2005 zugestellte Urteil hat dieser am 28.2.2005 Berufung eingelegt und diese am 12.4.2005 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 4.5.2005 verlängert worden war. Er trägt vor, die D.V. GmbH (Schuldnerin) habe am 24. und 25.6.2002 Verbindlichkeiten i.H.v. 256.748,01 EUR gehabt. Sie habe mit Vereinbarung vom 11.7.2002 sämtliche Verträge über bereits im Vorverkauf befindliche Veranstaltungen an die C.Z. GmbH übertragen. Diese habe daraufhin 164.075,30 EUR aus den Konzertvorverkaufseinnahmen erhalten und dafür 10.000 EUR erhalten. Diese Zahlung habe einen angemessenen Gegenwert für die Übernahme der Verpflichtungen und Risiken aus den Konzertveranstaltungen dargestellt. Der Beklagte habe mit künftigen Verbindlichkeiten aus den übernommenen Verträgen i.H.v. mindestens 125.000 EUR rechnen müssen. Tatsächlich habe die Schuldnerin an die überörtlichen Tourneeveranstalter der Konzerte Garantiezahlungen in Höhen von insgesamt 180.000 EUR zu leisten gehabt. Außerdem habe die Schuldnerin 119.732,81 EUR an örtlichen Kosten veranschlagt. Weitere Konzerte seien ebenfalls zu passivieren gewesen. Es hätten danach dem Umlaufvermögen von 278.529,10 EUR per 24.6.2002 Passiva i.H.v. mindestens 392.173,81 EUR gegenübergestanden. Am 25.6.2002 habe die Unterdeckung 169.370,98 EUR betragen. Die Überschuldung ergebe sich auch dann, wenn neben dem Umlaufvermögen das Anlagevermögen angesetzt werde. Das Anlagevermögen sei mit 38.294,26 EUR zu bewerten gewesen. Danach ergebe sich bei Ansatz von Fortführungswerten eine Unterdeckung von 75.350,45 EUR und bei Ansatz von Liquidationswerten eine Unterdeckung von 102.393,09 EUR. Der Beklagte habe trotz Überschuldung der Insolvenzschuldnerin die streitgegenständlichen Zahlungen geleistet und damit gegen die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten schuldhaft verstoßen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an ihn 90.338,32 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (28.9.2004; Klageerweiterung 18.11.2004) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, der Kläger sei mit seinem Vortrag zur Überschuldung gem. § 531 ZPO ausgeschlossen. Im Übrigen habe der Kläger keine Fortbestehungsprognose mit vollständigem Finanzplan erstellt. Die Forderung der Schuldnerin gegen die D.T. GmbH habe in voller Höhe von 17.424,32 EUR und nicht nur mit 12.050, 42 EUR in Ansatz gebracht werden müssen, weil sie im Jahr 2002 noch realisierbar gewesen sei. Soweit der Kläger bei den Verbindlichkeiten der Schuldnerin Zahlungen i.H.v. insgesamt 83.768,72 EUR berücksichtigt habe, sei nicht auszuschließen, dass diese Verbindlichkeiten zumindest teilweise nach dem 26.6.2002 entstanden seien, sodass sie in einer Überschuldungsbilanz per 25.6.2002 nicht zu berücksichtigen gewesen seien. Die Behauptung des Klägers, zum 24. bzw. 25.6...

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