Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 06.09.2016; Aktenzeichen 62 VI 796/15)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 06.09.2016 - 62 VI 796/15 - wie folgt abgeändert:

Der Antrag des Antragstellers vom 02.08.2016 auf Erteilung eines Erbscheins wird zurückgewiesen.

II. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 550.000,- Euro festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Auf Antrag des Antragstellers vom 02.08.2016 (Bd. I Bl. 186-188 d. A.; vgl. auch den Schriftsatz vom 15.04.2016, Bd. I Bl. 120-123 d. A.), einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, dass er Alleinerbe nach dem Erblasser geworden ist, hat das Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluss vom 06.09.2016 (Bd. I Bl. 195 f. d. A.) - unter Aussetzung der sofortigen Wirksamkeit seines Beschlusses - die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet und erklärt, die Erteilung des beantragten Erbscheins bis zur Rechtskraft seines Beschlusses zurückzustellen.

Dieser Beschluss ist - unter anderem - dem Beschwerdeführer über seinen Verfahrensbevollmächtigten am 13.09.2016 zugestellt worden (Bd. I Bl. 202 d. A.).

Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 11.10.2016, beim Amtsgericht Charlottenburg eingegangen am 12.10.2016 (Bd. II Bl. 221 d. A. [die Nummerierung erfolgt in Bd. II d. A. fortlaufend zu Bd. I d. A.]), gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat mit Beschluss vom 17.10.2016 (Bd. II Bl. 223. d. A.) der Beschwerde unter Vorlage an das Kammergericht nicht abgeholfen.

B. 1. Der Senat ist für die Entscheidung über die Beschwerde zuständig, §§ 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG, §§ 342 Abs. 1 Nr. 6, 352e Abs. 1 Satz 1, 58 ff. FamFG.

2. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht von dem ausreichend beschwerten Beschwerdeführer eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig, §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Alt. 1, Satz 3, Satz 4 Alt. 2 FamFG.

3. Die Beschwerde ist auch begründet.

Die zur Erteilung des von dem Antragsteller beantragten Erbscheins, nämlich eines Erbscheins dahingehend, dass er Alleinerbe nach dem Erblasser geworden ist, erforderlichen Tatsachen können nicht als nach § 352e Abs. 1 Satz 1 FamFG festgestellt erachtet werden. Denn der Antragsteller ist nicht Alleinerbe nach dem Erblasser geworden.

a. Nach § 1937 BGB kann der Erblasser durch einseitige Verfügung von Todes wegen, insbesondere durch ein Testament, den Erben bestimmen. Errichtet ein Erblasser mehrere Testamente, wird gemäß § 2258 Abs. 1 BGB durch die Errichtung des späteren Testaments das frühere Testament insoweit aufgehoben, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Nach § 2064 BGB kann der Erblasser ein Testament nur (höchst-) persönlich errichten. Dies kann gemäß § 2231 BGB entweder zur Niederschrift eines Notars oder durch eine vom Erblasser nach § 2247 BGB abgegebene Erklärung erfolgen. § 2247 Abs. 1 BGB schreibt dabei vor, dass der Erblasser ein Testament durch eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten kann.

Letztwillige Verfügungen sind der Auslegung zugänglich. Die Auslegung von Testamenten folgt hierbei grundsätzlich den in § 133 BGB niedergelegten allgemeinen Regeln bei der Auslegung von Willenserklärungen (Weidlich in Palandt, BGB, 77. Aufl., 2018, § 2084 Rdnr. 1; BGH, Urteil vom 08.12.1982 - IVa ZR 94/81 - BGHZ 86, 41, Rdnr. 16 nach juris), wonach der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist.

Der Tatrichter darf sich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränken, sondern muss - gegebenenfalls unter Auswertung von außerhalb des Testaments liegenden Umständen - versuchen, den Erblasserwillen aufzudecken. Dabei geht es nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens, sondern um die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Sprachgebrauch nicht immer so exakt ist oder sein kann, dass der Erklärende mit seinen Worten genau das unmissverständlich wiedergibt, was er zum Ausdruck bringen wollte. Gerade deshalb ordnet § 133 BGB an, den Wortsinn der benutzten Ausdrücke unter Heranziehung aller Umstände zu hinterfragen. Nur dann kann die Auslegung der Erklärung durch den Richter gerade die Bedeutung auffinden und ihr die rechtliche Wirkung zukommen lassen, die der Erklärende seiner Willenserklärung wirklich beilegen wollte (BGH, Urteil vom 07.10.1992 - IV ZR 160/91 - FamRZ 1993, 318, Rdnr. 10 nach juris). Insbesondere bei der Abgrenzung von Erbeinsetzung und Vermächtnis in Texten juristischer Laien darf dem Wortlaut nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden, sondern k...

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