Leitsatz (amtlich)

Aus Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes verbleibt es beim Ausschluss des Erbrechts vor dem 1.7.1949 geborener nichtehelicher Abkömmlinge, wenn ansonsten dem Erblasser nahe gestandene Erbprätendenten - hier die Ehefrau und eine Erbin zweiter Ordnung - in ihrem Erbrecht beschränkt bzw. vollständig verdrängt würden (Abgrenzung zu EuGHMR, Urt. v. 28.5.2009 - 3545/04 -, ZEV 2009, 510).

 

Normenkette

FamFG § 68; NichtehelG Art. 12 Abs. 1 § 10 Abs. 2 S. 2; EMRK Art. 14, 8

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Wedding (Beschluss vom 04.02.2010; Aktenzeichen 62 VI 580/09)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG Wedding vom 4.2.2010 - 62 VI 580/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 1). Die Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2) und 3) die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 160.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am 26.5.1948 geborene Antragstellerin ist das nichteheliche Kind des Erblassers W.G., geb. am 19.1.1922, der am 1.5.2009 verstorben ist. Der Erblasser hatte entsprechend der Geburtsurkunde vom 15.2.1957 die Vaterschaft zu dem Kinde vor dem Notar Doktor L. in Berlin-Spandau anerkannt. Er war in zweiter Ehe mit Frau H.G., geb. H., verheiratet, die kinderlos geblieben ist. Eine Verfügung von Todes wegen wurde nicht hinterlassen.

Auf Antrag der Ehefrau hat das AG Wedding zum Aktenzeichen 62 VI 580/09 unter dem 17.12.2009 einen gemeinschaftlichen Erbschein erlassen, der als Erben seine Ehefrau zu ¾ und seine Nichte Frau M.E.D., geb. H., zu ¼ ausweist.

Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 18.1.2010 beim AG Wedding für sich einen Teilerbschein, der sie als Erbin zu ½ ausweist. Ferner beantragte sie, den bereits erteilten Erbschein wegen Unrichtigkeit einzuziehen.

Das Nachlassgericht hat die Anträge mit Beschl. v. 4.2.2010 - 62 VI 580/09 - zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin am 3.3.2010 Beschwerde eingelegt, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat. Es hat die Akten am 16.3.2010 dem KG zur Entscheidung vorgelegt. In seiner Nichtabhilfeentscheidung hat das AG unter Berücksichtigung des Urteils des EuGHMR vom 28.5.2009 (3545/04, ZEV 2009, 510 ff.) darauf hingewiesen, dass nach einem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz vom 1.12.2009 für Erbfälle vor dem 28.5.2009 weiterhin die Vorschriften des BGB i.V.m. Art. 12 § 10 Abs. 2 NehelG anzuwenden sind.

II. 1. Maßgeblich ist das seit 1.9.2009 geltende Verfahrensrecht (vgl. Art. 111 Abs. 1, Art. 112 Abs. 1 FGG-RG).

Der Beschluss des Nachlassgerichts erging auf Grund des Erbscheins- (vgl. § 2353 BGB) und Einziehungsantrages vom 18.1.2010, mithin nach dem Inkrafttreten des FamFG.

Das Nachlassgericht hat die Anträge durch Beschluss gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, insbesondere form- (§ 64 Abs. 1 und 2 FamFG) und fristgerecht (§ 63 Abs. 1 und 3 FamFG) eingelegt worden. Die Antragstellerin, deren Anträge zurückgewiesen wurden, ist gem. § 59 Abs. 2 FamFG beschwerdeberechtigt. Der Beschwerdewert ist gem. § 61 Abs. 1 FamFG erreicht.

Nach neuem Recht ergibt sich die Zuständigkeit des OLG als Beschwerdegerichts aus § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG n.F. i.V.m. § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 GVG n.F.

Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG) bedarf es nicht, weil vorliegend letztendlich nur Rechtsfragen entscheidungserheblich sind (in diesem Sinne OLG Stuttgart, FGPrax 2010, 83 = FamRZ 2010, 674, wobei allerdings übersehen wurde, dass zunächst der Schutzbereich des Art. 8 EMRK eröffnet sein muss [tatsächliches Familienleben], zutreffend insoweit Grötsch, FamRZ 2010, 675, 676).

Dies bedarf jedoch vorliegend keiner weiteren Vertiefung, da über die Beschwerde in Erbscheinsverfahren nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG unter Anwendung der Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug auch dann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, wenn erstinstanzlich ohne Verstoß gegen die §§ 32 ff. FamFG ein Termin und eine persönliche Anhörung der Beteiligten nicht stattgefunden hat (OLG Schleswig, FGPrax 2010, 106 ff.). Der Senat schließt sich der eingehenden und am Gesetzeszweck orientierten Begründung des OLG Schleswig vollinhaltlich an (zustimmend auch Sternal in seiner Urteilsanmerkung, a.a.O., 108 f.).

§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kommt daher nur zur Anwendung, wenn nach den einschlägigen Verfahrensvorschriften ein Termin, eine mündliche Verhandlung oder sonstige Verfahrenshandlungen durchzuführen sind, was vorliegend nicht der Fall ist.

Insoweit kann dahinstehen, welchen Umfang die Kontakte des Erblassers mit seiner Tochter in den letzten Jahren hatten, denn ausweislich der vorgelegten Urkunden hat der Erblasser seine Tochter durch notarielle Erklärung im Jahre 1957 anerkannt. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragstellerin lebten der Erblasser und ihre...

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