Normenkette

GG Art. 25 Abs. 2, Art. 100 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 9 O 326/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Berlin vom 6.6.2002 – 9 O 326/02 – wird auf ihre Kosten bei einem Beschwerdewert von 5.500 Euro zurückgewiesen.

 

Gründe

Mit der sofortigen Beschwerde erstrebte die Antragstellerin die Verhängung eines dinglichen Arrestes in das Vermögen der Antragsgegnerin wegen einer Schmerzensgeldforderung i.H.v. 5.500 Euro, die sie auf erlittene Verletzungen bei dem Bombenanschlag vom 5.4.1986 auf die Diskothek „La Belle” in B. stütze, sowie die Pfändung von libyschen Kunstgegenständen, die bis zum 30.6.2002 von der G.C.F. im ehemaligen Staatsratsgebäude in B. ausgestellt werden, hilfsweise die Pfändung diesbezüglicher Herausgabeansprüche der Antragsgegnerin gegen die Bundesrepublik Deutschland und gegen die G.C.F.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das LG hat die Anträge der Antragstellerin zu Recht abgewiesen.

I. Allerdings vermag der erkennende Senat den Abweisungsgründen des angefochtenen Beschlusses und des Nichtabhilfebeschlusses des LG vom 11.6.2002 nicht zu folgen.

1. Die Antragstellerin hat in ihrer sofortigen Beschwerde die im Rubrum dieses Beschlusses aufgeführten, ausreichenden Zustellanschriften mitgeteilt und plausibel angegeben, dass die Vertretung der Antragsgegnerin – deren Bezeichnung entspr. dem „Nahost Jahrbuch 2000” durch die Antragstellerin der Senat übernommen hat – Sache ihres Außenministeriums sowie ihres Justiz- und Innenministeriums ist.

2. Der Antragstellerin kann ein Rechtsschutzbedürfnis nicht deshalb abgesprochen werden, weil sich die zu pfändenden Kunstgegenstände gegenwärtig nicht im Gewahrsam der Antragsgegnerin befinden. Zwar hat das LG mit Recht darauf hingewesen, dass eine Sachpfändung daher gem. § 809 ZPO die Herausgabebereitschaft des Gewahrsamsinhabers voraussetzt. Eine Vollziehung des Arrestes ist aber dadurch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen. Es steht weder fest, dass die Bundesrepublik Deutschland als Eigentümerin der Ausstellungsräume einer Pfändung entgegentritt, noch, dass der G.C.F., bei der solches zu vermuten sein könnte, der Gewahrsam an den Ausstellungsräumen überlassen worden ist. Die Antragstellerin braucht die Herausgabebereitschaft der Gewahrsamsinhaberin nicht positiv darzutun, denn ein Rechtsschutzinteresse ist nur unter ganz besonderen Umständen zu verneinen (vgl. BGH v. 28.3.1996 – IX ZR 77/95, MDR 1996, 1288 = NJW 1996, 2035 [2037]; Zöller/Greger, 23. Aufl., vor § 253 ZPO Rz. 18). Im Übrigen könnten gem. den mit der sofortigen Beschwerde gestellten Hilfsanträgen etwaige Herausgabeansprüche der Antragsgegnerin – deren Eigentum an den Kunstschätzen durch den Text des Ausstellungskataloges („libysches Erbe”) glaubhaft gemacht ist – durch Beschluss des Senats gem. § 930 Abs. 1 S. 3 ZPO gepfändet werden.

3. Eine Vollziehung des Arrestes ist auch nicht im Hinblick auf die Zeitdauer der Auslandszustellung eines Arrestbeschlusses und das Ausstellungsende am 30.6.2002 ausgeschlossen. Gemäß § 929 Abs. 3 ZPO ist die Vollziehung des Arrestes schon vor Zustellung zulässig und bleibt wirksam, wenn die Zustellung binnen einer Woche nach der Vollziehung erfolgt. Zur Wahrung dieser Frist genügt die Einreichung des Zustellungsgesuchs, wenn die – hier gem. § 199 ZPO gebotene – Zustellung mittels Ersuchens einer Behörde demnächst erfolgt (vgl. Baumbach/Hartmann, 60. Aufl., § 929 ZPO Rz. 21).

II. Der erkennende Senat kann aber von sich aus nicht feststellen, dass die Anträge der Antragstellerin der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen. Vielmehr könnte der Antragsgegnerin gem. den allgemeinen Regeln des Völkerrechts i.V.m. Art. 25 S. 2 GG Staatenimmunität zustehen. Für einen – ausdrücklichen oder konkludenten – Immunitätsverzicht der Antragsgegnerin fehlt jeder Anhaltspunkt.

1. Nach der Rechtsprechung des BVerfG genießt der ausländische Staat im Erkenntnisverfahren Immunität, wenn seine Inanspruchnahme zu seiner hoheitlichen Tätigkeit in Bezug steht (BVerfG NJW 1963, 435 und NJW 1963, 1732), und ggü. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen dann, wenn der Vermögensgegenstand, in den vollstreckt werden soll, hoheitlichen Zwecken dient (BVerfG NJW 1978, 485 = BVerfG 46, 342; v. 12.4.1983 – 2 BvR 678/81, 2 BvR 679/81, 2 BvR 680/81, 2 BvR 683/81, BVerfGE 64, 1). Für den einstweiligen Rechtsschutz gelten insoweit keine Besonderheiten (vgl. LG Frankfurt NJW 1976, 1044; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rz. 615; v. Schönfeld, NJW 1986, 2980 [2986]).

2. Die deutsche Gerichtsbarkeit zur Anordnung des Arrestes – im summarischen Erkenntnisverfahren – hängt somit zunächst davon ab, wie man den Arrestanspruch einordnet, den die Antragstellerin darauf stützt, dass der Geheimdienst der Antragsgegnerin das Bombenattentat vom 5.4.1986 in Auftrag gegeben und vorbereitet habe.

Die Abgrenzung, ob der Gegenstand des Verfahrens die hoheitliche Tätigkeit (acta iure imperii) oder die nichthoheitliche Tätigkeit d...

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