Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle einer Auflassungserklärung nach Ausübung eines Vorkaufsrechts durch den Vorkaufsberechtigten ist der Kaufvertrag mit dem Erstkäufer nicht das zugrundeliegende Geschäft im Sinne von Nr. 21102 Ziff. 1 KV/GNotKG, so dass für die Beurkundung der Auflassung eine 2,0 Gebühr gemäß Nr. 21100 KV/GNotKG anfällt.

2. Für eine Anrechnung einer Beratungsgebühr auf die Gebühr für ein anderes Verfahren oder Geschäft gemäß Nr. 24200 Absatz 2 KV/GNotKG genügt es bereits, wenn bezüglich der jeweiligen Gegenstände eine Teilidentität gegeben ist. Weicht der Beratungsgegenstand von dem Gegenstand des anderen Verfahrens bzw. des anderen Geschäfts dergestalt ab, dass hinsichtlich der Rechtsverhältnisse nur eine Teilidentität besteht, so findet die Anrechnung insoweit statt, wie sich die Rechtsverhältnisse decken.

3. Ob eine Beurkundung "demnächst" im Sinne von Nr. 24200 Absatz 2 KV/GNotKG erfolgt, richtet sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles danach, ob eine Situation eingetreten ist, in der der Notar seine bisherigen Arbeitsergebnisse nicht mehr nutzen konnte und deshalb ein einem neuen Beurkundungsverfahren vergleichbarer Aufwand angefallen ist, so dass es gerechtfertigt ist, dem Notar zusätzlich zu der Gebühr der isolierten Beratung die vollen Gebühren für ein neues Beurkundungsverfahren zuzubilligen. Eine (analoge oder regelmäßige) Anwendung der Frist aus der Vorbemerkung 2.1.3 Abs. 1 S. 2 KV/GNotKG kommt nicht in Betracht.

4. Der Wert eines im Grundbuch eingetragenen, jedoch zweifellos erloschenen Vorkaufsrechtes ist gemäß § 51 Absatz 3 GNotKG zu bewerten.

5. Gemäß § 113 Absatz 1 GNotKG ist für den Geschäftswert der Betreuungsgebühr der Verfahrenswert für die zugrundeliegende Beurkundung maßgeblich. Eine Beschränkung des Wertes für die Betreuungsgebühr auf den von der Betreuungstätigkeit betroffenen Beurkundungsgegenstand findet nicht statt.

6. Ist der Betreuungstätigkeit kein Beurkundungsverfahren vorangegangen, dessen Wert gemäß § 113 Absatz 1 GNotKG zugleich für die Wertbestimmung der Betreuungsgebühr maßgeblich sein könnte, ist in entsprechender Anwendung von § 112 Satz 2 GNotKG derjenige Wert als Geschäftswert anzunehmen, der maßgeblich wäre, wenn eine der Betreuungstätigkeit zugrundeliegende Urkunde Gegenstand eines Beurkundungsverfahrens wäre.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 80 OH 116/17)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 31. Juli 2019 - Az. 80 OH 116/17 - abgeändert:

Die Kostenberechnung des Notars vom 29. Juni 2017 in der berichtigten Fassung vom 11. Juni 2018 wird auf 30.021,68 Euro herabgesetzt.

Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.

Der Antrag auf Rückzahlung vom Notar zu viel empfangener Beträge wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht haben die Beteiligten je zu 1/2 zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Kammergericht haben die Antragstellerin zu 3/5 und der Antragsgegner zu 2/5 zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Kostenberechnung des Antragsgegners vom 29. Juni 2017 in der berichtigten Fassung vom 11. Juni 2018 für eine Beurkundung und weitere notarielle Tätigkeiten.

Gegenstand der Beurkundung vom 27. Juni 2017 war u.a. die Auflassung eines neu gebildeten Flurstückes. Die ursprüngliche Eigentümerin verkaufte dieses zunächst noch unvermessene Grundstück durch von einem weiteren Notar beurkundetes Angebot zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrages vom 4. März 2015 und vom Antragsgegner beurkundete Annahmeerklärung vom 4. März 2016. Der Antragsgegner wurde mit dem Vollzug des Kaufvertrages beauftragt. Die Antragstellerin übte mit Schreiben vom 12. Mai 2016 zu diesem Kaufvertrag ein ihr eingeräumtes und im Grundbuch eingetragenes Vorkaufsrecht aus.

In der Folgezeit wandte sich die Antragstellerin wiederholt mit Fragen zur Abwicklung des Kaufs an den Antragsgegner (zuletzt mit E-Mail vom 17. Mai 2017), die der Antragsgegner stets beantwortete. Diese Tätigkeit rechnete der Antragsgegner mit Kostenberechnung vom 7. Juli 2016 gegenüber der Antragstellerin ab. Er berechnete eine Beratungsgebühr in Höhe von 3.267,50 Euro nebst Post- und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer. Der gegen diese Kostenberechnung gerichtete Antrag der Antragstellerin gemäß § 127 Absatz 1 GNotKG blieb ohne Erfolg (Landgericht Berlin 80.OH.117/17).

Gegenstand der Beurkundung vom 27. Juni 2017 waren weiterhin die Bewilligung und Beantragung der Löschung des Vorkaufsrechts sowie die Bewilligung und Beantragung einer Grunddienstbarkeit jeweils im Grundbuch des aufgelassenen Grundstückes.

Der Antragsgegner vollzog den Kaufvertrag. Im Rahmen des Vollzuges prüfte er auch weisungsgemäß die Fälligkeitsvoraussetzungen für die Kaufpreiszahlung und teilte den Beteiligten die Kaufpreisfälligkeit mit.

Im Laufe des vorliegenden Verfahre...

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