Leitsatz (amtlich)

Der gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO beim Überholen einzuhaltende ausreichende Seitenabstand hängt von den Umständen des Einzelfalls ab; regelmäßig ist dabei ein Abstand von 1 m ausreichend; ein Anstand von nur 15-30 cm zu einem zur Straßenreinigung eingesetzten Fahrzeug ist sorgfaltswidrig.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 493/05)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Berufungsklägerin erhält gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

Zu Recht ist das LG in der angegriffenen Entscheidung davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagten auf Grund des Verkehrsunfalls vom ...2004 nicht zusteht.

1. Mit dem LG ist davon auszugehen, dass der Zeuge T. als Fahrer des Fahrzeugs der Klägerin bei dem Überholvorgang den gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO erforderlichen Seitenabstand zu dem von dem Beklagten zu 3. gefahrenen Fahrzeug der Beklagten zu 2. nicht eingehalten hat. Insoweit hat das LG zutreffend darauf hingewiesen, dass der Zeuge T. selbst den Abstand zwischen dem von ihm geführten Fahrzeug und dem Reinigungsfahrzeug mit "ca. 15-30 cm" angab (S. 6 des Protokolls vom 8.2.2006).

a) Dies stellt auch die Berufung nicht begründet in Abrede. Soweit die Klägerin auf S. 5 der Berufungsbegründung vom 1.8.2006 meint, der Zeuge T. habe einen Abstand von "ca. 30 bis 40 cm" angegeben, ist dies dem Protokoll der Zeugenvernehmung vom 8.2.2006 nicht zu entnehmen. Der Zeuge erklärte vielmehr zunächst, es habe sich um einen Abstand von "ca. 15-20 cm" gehandelt und führte auf Fragen des Klägervertreters aus: "Als ich begonnen habe, im Bereich der Insel an dem Lkw vorbeizufahren, betrug der Abstand nach rechts hin noch 30 cm, gemessen vom Ende des rechten Außenspiegels" (S. 6 Mitte des Protokolls vom 8.2.2006).

b) Soweit die Berufung meint, auf Grund der Tatsache, dass das Fahrzeug der Beklagten zu 2. sehr langsam fuhr und für den Zeugen T. nicht absehbar gewesen sei, wie lange dieser langsame Reinigungsvorgang noch andauern würde, sei es zulässig gewesen, dieses sehr langsam fahrende Fahrzeug auch mit einem geringeren Abstand zu überholen, kann dem nicht gefolgt werden.

Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO muss beim Überholen grundsätzlich ein ausreichender Sicherheitsabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden. In der Regel ist dabei von einem Seitenabstand von 1 m auszugehen (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl.,

§ 5 StVO, Rz. 54). Ob im Einzelfall auch ein geringerer Seitenabstand von bis zu 50 cm ausreichend sein kann, ist fraglich, kann hier jedoch dahinstehen. Der von dem Zeugen T. lediglich eingehaltene Abstand von 15-30 cm ist keinesfalls ausreichend (vgl. hierzu OLG Zweibrücken, VR 1978, 66 zu einem Seitenabstand von 32 cm).

Vorliegend ist mit dem LG davon auszugehen, dass ein Seitenabstand von mindestens einem Meter erforderlich gewesen wäre, was sich insbesondere auch daraus ergibt, dass das zu überholende Fahrzeug erkennbar mit einer Reinigungstätigkeit beschäftigt war und ein gelbes Warnblinklicht auf dem Dach eingeschaltet hatte. In diesem Fall muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass das Reinigungsfahrzeug Lenkbewegungen vornimmt, die durch mögliche Hindernisse am Straßenrand erforderlich werden und dazu führen können, dass die Fahrt des Reinigungsfahrzeuges nicht regelmäßig und absolut spurtreu verläuft.

Ob bei dem Fahrzeug der Beklagten zu 2. zum Zeitpunkt des Unfalls die linke Reinigungsbürste ausgefahren war, ist nach der Auffassung des Senats nicht entscheidend. Sofern die Reinigungs-bürste ausgefahren war, wäre es erforderlich gewesen, den notwendigen Sicherheitsabstand von diesem sodann äußerst linken Punkt einzuhalten. Eine Verringerung oder Vergrößerung des Sicherheitsabstandes insgesamt geht damit jedoch nicht einher.

2. Entgegen den Ausführungen der Berufung war das LG auch nicht gehalten ein Unfallrekonstruktionsgutachten einzuholen. Dabei ist bereits nicht ersichtlich, welche gutachter-lichen Feststellungen ergeben sollten, dass der Unfall allein durch den Beklagten zu 3. verursacht worden sein sollte. Dies gilt insbesondere auch für das neue Vorbringen der Klägerin, die Straßenbreite an der Unfallstelle hätte 6,0 m und nicht wie zunächst angegeben 5,50 m betragen.

Auf die Frage, wie breit die Unfallstelle tatsächlich ist, kommt es Streit entscheidend nämlich nicht an, sondern lediglich darauf, ...

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